Eisenmangelanämie – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Eisenmangelanämie, auch als mikrozytäre hypochrome Anämie bezeichnet, ist eine Form der Anämie, die durch eine gestörte Blutbildung aufgrund eines Mangels an Eisen verursacht wird. Eisen ist essenziell für die Synthese von Hämoglobin, dem Sauerstofftransportprotein in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten).
Mechanismen der Eisenmangelanämie
- Gestörte Hämoglobinbildung: Durch den Eisenmangel kann nicht genügend Hämoglobin produziert werden, was zu einer verminderten Fähigkeit der Erythrozyten führt, Sauerstoff zu transportieren.
- Mikrozytose: Die Erythrozyten sind kleiner als normal, was als mikrozytär bezeichnet wird. Dies führt zu einer Abnahme des mittleren Erythrozytenvolumens (MCV ↓).
- Hypochromie: Die Erythrozyten haben einen geringeren Hämoglobingehalt, was als hypochrom beschrieben wird. Dies zeigt sich durch einen abgesenkten mittleren Hämoglobingehalt der Erythrozyten (MCH ↓).
Ursachen der Eisenmangelanämie
Eine Eisenmangelanämie kann durch verschiedene Ursachen bedingt sein:
- Blutverlust: Chronische Blutungen, insbesondere im gastrointestinalen Trakt (Magen-Darm-Trakt), wie z. B. bei Magengeschwüren, Hämorrhoiden oder Karzinomen, führen zu einem fortlaufenden Eisenverlust.
- Eisenmalabsorption: Erkrankungen, die die Aufnahme von Eisen im Dünndarm beeinträchtigen, wie Zöliakie, chronische Entzündungen oder postoperative Zustände nach Magen- oder Dünndarmoperationen, führen zu einer unzureichenden Eisenaufnahme.
- Erhöhter Eisenbedarf: Zustände wie Schwangerschaft, Stillzeit oder Wachstum erfordern vermehrt Eisen, was ohne ausreichende Zufuhr zu einem Mangel führen kann.
Gastrointestinale Ursachen
Bei gastrointestinalen Erkrankungen kann der Eisenmangel auf verschiedene Mechanismen zurückzuführen sein:
- Blutverlust: Langfristige, unbemerkte Blutungen im Magen-Darm-Trakt, z. B. bei Magengeschwüren oder Tumoren, führen zu einem schleichenden Eisenverlust.
- Eisenmalabsorption: Schäden an der Schleimhaut des Darms (Mukosa), wie sie bei chronischen Entzündungen oder nach Operationen auftreten können, beeinträchtigen die Fähigkeit des Körpers, Eisen effektiv aufzunehmen.
Diese Mechanismen führen letztlich zu einer Abnahme des Eisenspiegels im Körper und damit zu einer verminderten Hämoglobinproduktion und gestörten Sauerstoffversorgung der Gewebe.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Frauen im gebärfähigen Alter (- 20 %)
- Schwangere – aufgrund ihres erhöhten Eisenbedarfs
- Hormonelle Faktoren
- Wachstum
- Pubertät
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Einseitige Ernährung
- Vegetarier, Veganer
- Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – Eisen; siehe Prävention mit Mikronährstoffen
- Körperliche Aktivität
- Sportler ("Sportanämie" aufgrund einer Blutvolumenexpansion, die besonders das Plasmavolumen (= Blutvolumen ohne die korpuskulären Bestandteile (Blutzellen) betrifft → Reduktion von Hb-Konzentration und der Hämatokrit (Anteil der roten Blutkörperchen am Volumen des Blutes); Sportler können allerdings auch eine "echte" Anämie entwickeln, die am häufigsten durch einen Eisenmangel bedingt wird) – Leistungssportler und ambitionierte Freizeitsportler im Ausdauerbereich
- Blutspender
Krankheitsbedingte Ursachen
- Adipositas (Übergewicht) – wg. Adipositas-assoziierter Entzündung
- Angiodysplasie (Gefäßmissbildungen aus mittelgroßen Arterien und Venen) des Magens und des Duodenums (Zwölffingerdarm) mit Blutung (Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) der Eisenmangelanämie: 5-10 %)
- Anorexia nervosa (Magersucht)
- Blutgerinnungsstörungen
- Blutungen (insb. bei chronischen gynäkologischen bzw. gastrointestinalen Blutungen)/Blutungsanämie
- Cimikose – heftig juckende, Hauterscheinungen durch Stiche blutsaugender Wanzen (Cimex lectularis/Bettwanzen); besonders betroffen sind Raucher, Singles, Personen mit dunkler Hautfarbe; Betroffene haben höhere RDW-CV (Variationskoeffizient der Erythrozytengröße (in Prozent)) und niedrigere Hämoglobin-, Hämatokrit-, Erythrozyten- und MCHC-Werte als Kontrollpersonen. Fälle von schwerer Anämie (Blutarmut) und Bluttransfusion wurden beschrieben [4].
- Chronische Entzündungen, nicht näher bezeichnet → Anämie bei Entzündung (früher Anämie bei chronischer Erkrankung, ACD); ACD gilt nach der Eisenmangelanämie als zweithäufigste Anämie weltweit
- Chronische Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
- Chronische Infektionen, nicht näher bezeichnet
- Chronische Niereninsuffizienz → Einschränkung der renalen Erythropoetin-Synthese (Synonyme: Erythropoietin, EPO), welches die Erythropoese anregt; weiterhin liegt ein gestörter Eiseneinbau und eine verkürzte Lebensdauer der Erythrozyten (rote Blutkörperchen) vor
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn/Entzündungsanämie
- Divertikelkrankheit – gehört zu den häufigsten Ursachen von Blutungen im unteren Gastrointestinaltrakt (Prävalenz der Eisenmangelanämie: 25 %)
- GAVE-Syndrom (engl. gastric antral vascular ectasia, Wassermelonenmagen) – steht für radiär verlaufende Gefäßerweiterungen der Magenschleimhaut, vom Pylorus (Magenpförtner) zum Magenkorpus (Magen-Körper) ziehend (Prävalenz der Eisenmangelanämie: 2-3 %)
- Gastritis (Magenschleimhautentzündung; Prävalenz der Eisenmangelanämie: k A.)
- Hämorrhoiden
- Helicobacter pylori Infektion und assoziierte Gastritis; nach Eradikationstherapie verschwand die Anämie [1]
- Hiatushernie (Zwerchfellbruch)
- Intestinale parasitäre Infektionen (Prävalenz der Eisenmangelanämie: 33-61 %)
- Helminthiasis (Ancylostomatidae (Hakenwürmer); Trichuris trichiura (Peitschenwurm))
- Kurzdarmsyndrom – wg. Malabsorption und gastrointestinale Blutungen (Prävalenz der Eisenmangelanämie: 30-37 %)
- Karzinome – vor allem das Magen- und Kolonkarzinom/Tumoranämie
- Malassimilationssyndrom – Komplex von Symptomen verschiedener Genese unterschiedlicher Krankheitsbilder als Folge von Malabsorption, Maldigestion oder einer Kombination beider
- Maligne (bösartige) Systemerkrankungen
- Malnutrition (vor allem bei Kleinkindern und Vegetariern; Senioren)
- Mangelernährung (vor allem Senioren)10-40 %)
- Nicht-varizeale Blutung des oberen Gastrointestinaltrakts (Prävalenz der Eisenmangelanämie: 80 %)
- Ösophagitis (Speiseröhrenentzündung) und Hiatushernie (Zwerchfellbruch) (Prävalenz der Eisenmangelanämie: 8-42 %)
- Ösophagusvarizenblutung – Blutung aus Venen in der Wand der Speiseröhre
- Tumoren des Gastrointestinaltrakts/Magen-Darm-Trakt (Prävalenz der Eisenmangelanämie: 50-60 %)
- Dünndarmtumoren
- Kolorektale Tumoren (Tumoren des Dickdarms und des Mastdarms)
- Ösophageale Tumoren (Tumoren der Speiseröhre)
- Polypen
- Ulcus ventriculi et duodeni (Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre)
- Zöliakie (gluteninduzierte Enteropathie) (Prävalenz der Eisenmangelanämie: 32-69 % %)
Medikamente
- Analgetika – NSAID (non-steroidal anti-inflammatory drug): z. B. Acetylsalicylsäure (ASS)* oder Nicht-ASS-NSAID (2-bis 4-fach erhöhter fäkaler Blutverlust) (Prävalenz der Eisenmangelanämie: 10-40 % %)
*Bei Senioren über 70 Jahre, die täglich 75 bis 100 mg Acetylsalicylsäure (ASS) einnehmen, finden sich häufig ein deutlicher Rückgang von Hämoglobin und Ferritin; im Vergelich zur Verumgruppe besteht ein um relativ 23,5 Prozent erhöhtes Risiko für eine Anämie [5]. - Antiprotozoika
- Analogon des Azofarbstoffs Trypanblau (Suramin)
- Pentamidin
- Chelatbildner (D-Penicillamin, Trieethylentetramin-Dihydrochlorid (Trien), Tetrathiomolybdan)
- Direkter Faktor Xa-Inhibitor (Rivaroxaban)
- Immunsuppressiva (Thalidomid)
- Januskinase-Inhibitoren (Ruxolitinib)
- Monoklonale Antikörper – Pertuzumab
- mTOR-Inhibitoren (Everolimus, Temsirolimus)
- Neomycin
- P-Aminosalicylsäure (Mesalazin)
- Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) – Patienten mit PPI-Dauertherapie sind öfter von Eisenmangel betroffen: dieses ist abhängig von Therapiedauer und Dosierung [2]
- Thrombininhibitor (Dabigatran)
- Tuberkulostatika (Isoniazid, INH; Rifampicin, RMF)
- Virostatika
- NS5A-Inhibitoren (Daclatasvir)
- Protease-Inhibitoren (Boceprevir, Telaprevir)
Operationen
- Operationen mit vermehrtem Blutverlust
- Zustand nach
- Magenresektion (Magen Teilentfernung; gestörte Resorption)
- Bariatrische Operationen (biliopankreatische Diversion (BPD), Roux-Y-Magenbypass (RYGP), Schlauchmagen-Operation, SG) (Prävalenz der Eisenmangelanämie: 20-50 %)
- Ileoanale Pouch (Operationsverfahren, bei dem mit Anlage eines Reservoirs eine direkte Anastomose (Verbindungsgang) zwischen dem letzten Abschnitt des Ileums (Krummdarm) und dem Anus geschaffen wird) – wegen Entstehung einer symptomatischen oder asymptomatischen Pouchitis; Ursache der Eisenmangelanämie sind mukosale Blutungen (Schleimhautblutungen) und eine gestörte Eisenabsorption (Prävalenz der Eisenmangelanämie: 6-21 %)
Sonstige mögliche Ursachen
- Aderlass als Therapie bei anderen Bluterkrankungen
- Hämodialyse (Nierenersatzverfahren)
Legende: Prävalenzen s. o. [3]
Literatur
- DuBois S, Kearney DJ: Iron-Deficiency Anemia and Helicobacter pylori Infection: A Review of the Evidence H. pylori and Iron-Deficiency. The American Journal of Gastroenterology. 100, 453-459 (2005).
- Tran-Duy A et al.: Use of proton pump inhibitors and risk of iron deficiency: a population based case-control study. J Intern Med 2018 Aug 23. doi: 10.1111/joim.12826
- Stein J, Connor S, Virgin G, Ong DE, Pereyra L: Anemia and iron deficiency in gastrointestinal and liver conditions. World J Gastroenterol 2016;22:7908-25
- Sheele JM et al.: Bed bugs are associated with anemia. American Journal of Emergency Medicine 2020; https://doi.org/10.1016/j.ajem.2020.10.070
- McQuilten ZK et al.: Effect of Low-Dose Aspirin Versus Placebo on Incidence of Anemia in the Elderly A Secondary Analysis of the Aspirin in Reducing Events in the Elderly Trial Annals of Internal Medicine 20 June 2023 https://doi.org/10.7326/M23-0675