Eisenmangelanämie – Labordiagnostik

Laborparameter 1. Ordnung – obligate Laboruntersuchungen

  • Kleines Blutbild [mikrozytäre hypochrome Anämie:
    • MCV (engl. mean corpuscular volume; mittlere Erythrozyteneinzelvolumen/Volumen eines einzelnen roten Blutkörperchen) ↓ → mikrozytär
    • MCH (engl. mean corpuscular hemoglobin; mittlere korpuskuläre Hämoglobin (= mittlerer Hämoglobingehalt pro Erythrozyt)) ↓ → hypochrom
    • MCHC (engl. mean corpuscular hemoglobin concentration; mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration: mittlere Hämoglobinkonzentration des Hämatokrits (der Erythrozytenmasse)) ↓]
  • Differentialblutbild
  • Erythrozytenmorphologie (Blutausstrich) [Hypochromie, Mikrozytose, Anulozyten]
  • Ferritin (Eisenspeicherprotein) [↓↓] [Eisenmangel: Ferritin < 100 µg/l oder 100-299 µg/l bei gleichzeitiger Transferrinsättigung (TSAT) < 20 %]*
  • Eisen [Serumeisen ↓]*
  • Folsäure
  • Vitamin B12
  • Retikulozyten ("junge Erythrozyten") – dient zur Unterscheidung in eine hypo- und eine hyperregeneratorische Anämie [Eisenmangelanämie: normal; Blutungsanämie: ↑]
  • Entzündungsparameter – CRP (C-reaktives Protein) bzw. BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit)
  • Urinstatus (Schnelltest auf: pH-Wert, Leukozyten, Nitrit, Eiweiß, Glucose, Keton, Urobilinogen, Bilirubin, Blut), Sediment, ggf. Urinkultur (Erregernachweis und Resistogramm, das heißt Austestung geeigneter Antibiotika auf Sensibilität/Resistenz)
  • Test auf okkultes (nicht sichtbares) Blut im Stuhl

Weitere Hinweise

  • Die Eisenmangelanämie ist die häufigste Form einer Anämie; die zweithäufigste Form ist die "Anämie bei chronischer Erkrankung" (ACD). Ursachen einer ACD sind chronisch entzündliche Erkrankungen, Tumorerkrankungen oder chronische Infektionen. [ACDniedriges Hb und Serum-Fe, hohes Serum-Ferritin]
  • *Eine Hypoferrämie liegt vor, wenn Serumeisenwerte < 12­-13 µg/l oder eine Transferrinsättigung (TSAT) < 20 %, bei nur leichter oder gar nicht vorhandener Anämie. 

Laborparameter 2. Ordnung – in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese, körperlichen Untersuchung etc. – zur differentialdiagnostischen Abklärung

  • Transferrin (Eisentransportprotein) [↑]
  • Transferrinsättigung (TfS) (engl. transferrin saturation, TSAT) [↓; Transferrinsättigung < 20 % besitzt für die Erkennung von Eisenmangelzuständen zwar eine hohe Sensitivität (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Tests erkannt wird, d. h. ein positives Testresultat auftritt) von 90 %, jedoch nur eine niedrige Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, im Test auch als gesund erkannt werden) von 40-50 %]
    [Eisenmangel: Ferritin < 100 µg/l oder 100-299 µg/l bei gleichzeitiger TSAT < 20 %]
  • Löslicher Transferrinrezeptor (sTfR) (Soluble Transferrin Receptors, sTfR): Konzentration der sTfR im Serum ist ein Indikator der Eisenversorgung der Erythropoese – bei einer Verwertungsstörung normal (2-5 mg/l); bei echtem Eisenmangel wird er kompensatorisch hochreguliert (> 5 mg/l bei Anämie)
  • Zink-Protoporphyrin (ZPP)quantitative Aussage über den Schweregrad des gesamten Eisen-Stoffwechsel-Problems (echter Mangel und Verwertungsstörung) – liegt in erhöhter Konzentration bei einem Eisenmangel vor (falls bei Eisenmangel nicht genügend Eisen für den Einbau in das Protoporphyrin 9 zur Hämbildung zur Verfügung, wird ersatzweise Zink eingebaut)
    [Bei schwerer Eisenmangelanämie kann der ZPP-Wert > 1.000 µmol/mol Häm erreichen.]
  • Eisenresorptionstest – bei Verdacht auf Eisenresorptionsstörung
    Verfahren: Steigt das Serumeisen nach oraler Gabe von 200 mg zweiwertigem Eisen bei nüchternem, liegendem Patienten innerhalb von 2 Stunden um mindestens 9 μmol/l an, liegt eine intakte Eisenresorption vor. Bei fehlendem Anstieg nach 4 Stunden liegt eine Eisenresorptionsstörung vor.
  • Haptoglobin [Eisenmangelanämie: normal] – wg. Diagnostik [hämolytische Anämien: ↓] und Verlaufsbeurteilung hämolytischer Erkrankungen
  • Laktatdehydrogenase (LDH)
  • Hepcidin z. B. im Blut – [bei Eisenmangel wird normalerweise die Hepcidinsynthese gedrosselt, was zu einer Hochregulation der intestinalen Eisenabsorption führt] (keine Standarddiagnostik)
    • hoher intra- und extrazelluläre Eisenkonzentration (z. B. Serum-, Lebereisen)
    • Entzündung (Interleukin-6 u. w.) → Hepcidinspiegel ↑
  • Nierenparameter – Harnstoff, Kreatinin, Harnsäure
  • Leberparameter – Alanin-Aminotransferase (ALT, GPT), Aspartat-Aminotransferase (AST, GOT), Glutamat-Dehydrogenase (GLDH), Gamma-Glutamyl-Transferase (γ-GT, Gamma-GT; GGT), alkalische Phosphatase, Bilirubin
  • Schilddrüsenparameter – TSH (Thyreoideal-stimulierendes Hormon)
  • Helicobacter pylori-Nachweis*
    • Invasive Methoden:
      • Kultur [Sensitivität 70-90 %, Spezifität 100 %]
      • Histologie (Goldstandard) nach endoskopischer Biopsie (Gewebeprobe) [Sensitivität 80-98 %, Spezifität 90-98 %]
      • Urease-Schnelltest (Synonym: Helicobacter-Urease-Test; Handelsname: CLO-Test) – Biopsie wird dabei in eine harnstoffhaltige Farbindikatorlösung gegeben (Bedside-Test) [Sensitivität 90-95 %, Spezifität 90-95 %]
        Beachte: Hemmung der Enzymaktivität (falsch negatives Testergebnis) durch Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI) und Antibiotika; falsch-positive Befunde durch eine bakterielle (nicht H. pylori) Überwucherung des Magens 
        Vorbereitung des Patienten: Keine Therapeutika vor Biopsie (PPI 1 Woche, Antibiotika 6 Wochen).
      • Erregernachweis mittels PCR (Polymerase-Kettenreaktion) [Sensitivität 90-95 %, Spezifität 90-95 %]
    • Nicht invasive Methoden:
      • 13C-Harnstoff-Atemtest – misst indirekt die Aktivität des Bakterienenzyms Urease [Sensitivität 85-95 %, Spezifität 85-95 %]
      • Stuhl-Antigentest mittels monoklonaler Antikörper [Sensitivität 85-95 %, Spezifität 85-95 %]
      • IgG-Antikörper im Serum [Sensitivität 70-90 %, Spezifität 70-90 %]
  • Knochenmarkbiopsie

Zur Diagnostik und Differenzierung der Eisenverfügbarkeit

Übersichtstabelle

Parameter Normwerte Hinweise bei Eisenmangel Besonderheiten
Hb-Wert Männer: ≥ 13 g/dl
Frauen: ≥ 12 g/dl
Schwangere: ≥ 11 g/dl
Erniedrigt bei Anämie durch Eisenmangel Ermittelt das Vorliegen einer Anämie gemäß WHO-Kriterien.
MCV/MCH MCV: 80-100 fl
MCH: 27-33 pg
Erniedrigt bei Eisenmangelanämie Misst das mittlere erythrozytäre Volumen und den Hb-Gehalt pro Erythrozyt.
Ferritin 30-300 µg/l Werte ≤ 15 µg/l: Leere Eisenspeicher
Werte ≤ 30 µg/l: Verminderte Eisenspeicher (Behandlungsbedarf)
Akute-Phase-Protein, Werte können bei Entzündungen erhöht sein.
Transferrinsättigung (TfS) 16-40 % Erniedrigt bei Eisenmangel
< 16%: Reduziertes Funktionseisen
Sollte nüchtern bestimmt werden; Transferrin erniedrigt bei akuten Entzündungen (chronische Entzündungsanämie (anaemia of chronic disease, ACD).
Zink-Protoporphyrin (ZPP) ≤ 40 µmol/mol Hb Erhöht bei mangelnder Eisenversorgung Ungeeignet zur Differenzierung komplexer Eisenmangelzustände.
Löslicher Transferrinrezeptor (sTfR) 1,8-4,6 mg/l Erhöht bei Funktionseisenmangel, auch bei ACD Unabhängig von Entzündungen, zuverlässiger Marker für Funktionseisen.
Ferritinindex (FI) Keine Normwerte Kombination aus sTfR und Ferritin zur Differenzierung des Eisenstatus Unterstützt Diagnostik mit Ret-He/CHr.
% hypochrome Erythrozyten (%HYPO) < 5 % Erhöht bei längerem Eisenmangel Zeigt mittelfristigen Eisenbedarf der Erythropoese, zeitkritische Bestimmung.
Retikulozyten-Hämoglobin (Ret-He, CHr) ≥ 28 pg Erniedrigt bei Eisenmangel oder ACD mit Eisenmangel Spiegelt Eisenverfügbarkeit der letzten 3–4 Tage, stabil bei Zimmertemperatur.
Hepcidin Keine einheitlichen Normwerte Erhöht bei Entzündungen
Erniedrigt bei Eisenmangel
Noch nicht routinetauglich.

Diagnostische Parameter im Detail

Hb-Wert und Erythrozytenindizes

  • Hb-Wert: Indikator für Anämie, geschlechtsspezifische WHO-Grenzwerte.
  • MCV und MCH: Erniedrigte Werte weisen auf mikrozytäre, hypochrome Anämien hin.

Ferritin

  • Funktion: Speichereisenindikator.
  • Limitationen:
    • Akute-Phase-Protein: Bei Entzündungen falsch hohe Werte.
    • ACD (anaemia of chronic disease; chronische Entzündungsanämie): Keine zuverlässige Aussage über Speichereisen.

Transferrinsättigung (TfS)

  • Bedeutung: Reflektiert Funktionseisen.
  • Einschränkung: Bei ACD wenig aussagekräftig.

Löslicher Transferrinrezeptor (sTfR)

  • Vorteile:
    • Sensibel für Funktionseisenmangel, auch bei ACD.
    • Nicht durch Entzündung beeinflusst.

Zink-Protoporphyrin (ZPP)

  • Einsatz: Frühe Erkennung des Eisenmangels.
  • Grenzen: Screening-Parameter, keine Differenzierung komplexer Eisenmangelzustände.

Ferritinindex und diagnostischer Eisenblot

  • Ferritinindex: Kombinierter Marker für Eisenstatus.
  • Einsatz in der Praxis: Differenziert Eisenmangelstadien, online verfügbar.

% hypochrome Erythrozyten (%HYPO)

  • Bedeutung: Langfristige Eisenversorgung der Erythropoese.
  • Nachteil: Zeitkritische Bestimmung, nicht überall verfügbar.

Retikulozyten-Hämoglobin (Ret-He, CHr)

  • Vorteil: Kurzfristige Eisenverfügbarkeit.
  • Klinische Anwendung: Monitoring ähnlich HbA1c bei Diabetes.

Hepcidin

  • Rolle: Regulator des Eisenstoffwechsels.
  • Limitierungen: Noch nicht in der Routinediagnostik etabliert.

Blutungsanämie

Häufig abzugrenzen von einer Eisenmangelanämie ist differentialdiagnostisch eine Blutungsanämie. Für diese ist eine verminderte Anzahl an Erythrozyten (rote Blutkörperchen) und eine verminderte Hämoglobinkonzentration (Blutfarbstoff) im Blut charakteristisch. Des Weiteren tritt bei einer Blutungsanomalie eine periphere Retikulozytose (erhöhte Vorkommen von unreifen Erythrozyten-Vorstufen (Retikulozyten) im Blut) auf.
Eine Blutungsanämie wird durch einen akuten Blutverlust verursacht. Die Blutungsquelle ist vor allem genital oder gastrointestinal.

Parameter Signifikanter
Blutverlust
Nicht-signifikanter
Blutverlust
Hämoglobin (Hb) Niedrig. Kann leicht vermindert sein oder
im unteren Normbereich liegen
Hämatokrit (Hkt) Niedrig Kann leicht vermindert sein oder
im unteren Normbereich liegen.
Erythrozytenzahl Niedrig In der Regel im normalen Bereich,
kann aber geringfügig reduziert sein.
Retikulozyten Erhöht Möglicherweise leicht erhöht, da das Knochenmark
auf den Blutverlust reagiert und vermehrt junge rote Blutkörperchen freisetzt.
Serum-Eisen Niedrig Normal oder leicht vermindert,
je nach Eisenreserven und Ernährungsstatus des Patienten.
Ferritin Niedrig Normal oder leicht vermindert.
Ferritinwerte können erste Hinweise auf erschöpfte Eisenspeicher geben.
Transferrin Erhöht Normal oder leicht erhöht.
Eine leichte Erhöhung kann auftreten,
wenn der Körper versucht, mehr Eisen zu mobilisieren.
Transferrinsättigung Niedrig Normal oder leicht vermindert,
abhängig von den Eisenspeichern und der Ernährung.

Stadien des Eisenmangels

Laborparameter Prälatent Latent  Manifest 
MCH, MCV normal normal  -
Hämoglobin normal  normal   -
Knochenmarkspeichereisen  -  -  -
Ferritin  -  -  -
Transferrinsättigung normal  -  -
Hypochrome Erythrozyten nein  ja  ja 
sTfR normal  hochreguliert hochreguliert
ZPP normal

Legende

  • Transferrinrezeptoren (Soluble Transferrin Receptors, sTfR): Konzentration der sTfR im Serum ist ein Indikator der Eisenversorgung der Erythropoese
  • Zinkprotoporphyrin (ZPP): Falls bei Eisenmangel nicht genügend Eisen für den Einbau in das Protoporphyrin 9 zur Hämbildung zur Verfügung, wird ersatzweise Zink eingebaut.

Eisenmangelanämie und Herzinsuffizienz

Alle Patienten mit Herzinsuffizienz sollten regelmäßig auf Anämie und Eisenmangel untersucht werden [ESC Guidelines: Empfehlungsgrad 1b]. 

  • Beachte: Bereits ein funktioneller Eisenmangel ohne Anämie (Ferritin 100-300 ng/ml und Transferrinsättigung (TSAT) < 20 %) verschlimmert die Symptomatik bei Herzinsuffizienz-Patienten und damit deren Prognose.
  • Bei Patienten mit Eisenmangel sind zwei Gruppen zu unterscheiden:
    • niedrige Eisenspeicher (LIS, low iron storage): Transferrinsättigung  (TSAT) im Blut < 20 % + Serumferritinkonzentration max. 128 ng/ml.
    • defekte Eisenutilisation (DIU, defective iron utilization): Transferrinsättigung  (TSAT) im Blut  < 20 % +  Serumferritinkonzentration > 128 ng/ml. 
    In einer prospektiven Beobachtungsstudie waren nur kaum gefüllte Eisenspeicher mit einer erhöhten Mortalität und häufigerer stationärer Versorgung wegen Herzinsuffizienz assoziiert [1].
  • Falls Defizit (Serumferritin ˂ 100 ng/ml oder Serumferritin 100-299 ng/ml mit Transferrinsättigung ˂ 20 %) → i.v. Eisencarboxymaltose-Gabe für symptomatische Patienten (LVEF ˂ 50 %) mit erst kürzlich zurückliegender herzinsuffizienzbedingter Klinikeinweisung
  • Intravenöse Eisen-Supplementierung wird bei symptomatischen Patienten mit HFrEF und HFmrEF empfohlen, um Herzinsuffizienz-Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern“ (Klasse I/Evidenzlevel A) [ESC-Leitlinien: 2023].

Literatur

  1. Beverborg NG et al. Differences in Clinical Profile and Outcomes of Low Iron Storage vs Defective Iron Utilization in Patients With Heart Failure: Results From the DEFINE-HF and BIOSTAT-CHF Studies. JAMA Cardiol 2019. doi: https://doi.org/10.1001/jamacardio.2019.1739