Eisenmangelanämie – Einleitung
Bei der Eisenmangelanämie handelt es sich um eine Form der Anämie (Blutarmut), die durch den Mangel an Eisen bedingt ist. Das Spurenelement Eisen ist für die Hämoglobinbildung (Blutfarbstoff) unabdingbar.
Synonyme und ICD-10: Achlorhydrische Anämie; Anämie - Eisenmangel; Bleichsucht; Chlorose; Protein deficiency anemia; Sideropenische Anämie; mikrozytäre hypochrome Anämie; ICD-10-GM D50.-: Eisenmangelanämie
Pathophysiologie
Hyporegenerative Anämie
- Störung der Erythropoese (Bildung von reifen Erythrozyten aus hämatopoetischen Stammzellen des blutbildenden Knochenmarks)
- Häufigste Form aller Anämien (80 % der Fälle)
Charakteristische Laborbefunde
- Erniedrigter Hämoglobinwert (Hb)
- Erniedrigter mittlerer Hämoglobingehalt pro Erythrozyt (MCH ↓)
- Verkleinertes mittleres Erythrozyteneinzelvolumen (MCV ↓)
- Hypochromasie, klassifiziert als mikrozytäre hypochrome Anämie
Eisenbedarf und Verluste
Täglicher Eisenverlust
- Männer: 1 mg
- Frauen im gebärfähigen Alter: 2 mg
- Schwangere: 3 mg
Täglicher Eisenbedarf
- Männer: 10 mg
- Frauen im gebärfähigen Alter: 10-15 mg
- Schwangere: 30 mg
- Stillende: 20 mg
- Prophylaktische Eisen-Supplementierung
- Schwangerschaft
- Früh- und Neugeborene mit Geburtsgewicht < 2.500 g
Differentialdiagnose
Blutungsanämie
- Charakterisiert durch verminderte Anzahl an Erythrozyten und Hämoglobinkonzentration
- Verursacht durch akuten Blutverlust
- Häufige Blutungsquellen: Genital oder gastrointestinal (Magen-Darm-Trakt)
Formen der Eisenmangelanämie
Primäre Eisenmangelanämie
- Ursprünglich durch unzureichende Eisenaufnahme oder -resorption verursacht
Sekundäre Eisenmangelanämie
- Bedingt durch chronische Blutungen, wie: Gastrointestinale Blutungen (z. B. durch Ulzera (Geschwüre), Tumore)
- Genitale Blutungen (z. B. Menorrhagie/zu starke und zu lange andauernde Menstruation)
Funktionelle Eisenmangelanämie
- Vorhandensein von Eisen, aber unzureichende Mobilisierung aus den Speichern
- Oft bei chronischen Erkrankungen (Anemia of chronic disease; ACD)
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer zu Frauen beträgt 1 : 4 (bedingt durch erhöhte Verluste durch Menstruation, Gravidität (Schwangerschaft) und Laktation (Stillphase)).
Häufigkeitsgipfel: Bei Kleinkindern zwischen dem Alter von 6 Monaten und 3 Jahren sowie bei menstruierenden Mädchen/Frauen beginnend in der Adoleszenz bis zur Menopause (Zeitpunkt der letzten Regelblutung; meist zwischen dem 47. und 52. Lebensjahr).
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Liegt bei 10 % der Frauen im gebärfähigen Alter (in Europa). In den Entwicklungsländern leiden mehr als 50 % der Frauen im gebärfähigen Alter an einer Eisenmangelanämie. Die Prävalenz weltweit liegt bei ca. 25 % der Menschen.
Verlauf und Prognose
Verlauf
Initiale Phase
- In der frühen Phase der Eisenmangelanämie können Symptome wie Müdigkeit, Schwäche und verminderte Leistungsfähigkeit auftreten. Diese unspezifischen Symptome führen oft zu einer verzögerten Diagnose.
Fortgeschrittene Phase
- Mit zunehmendem Eisenmangel verschlechtern sich die Symptome. Patienten können Blässe, Atemnot bei körperlicher Anstrengung, Tachykardie (schneller Herzschlag), Kopfschmerzen und Schwindelgefühle entwickeln.
- Ohne Behandlung kann sich die Anämie weiter verschlechtern, was zu signifikanten Einschränkungen im Alltag führt.
Chronische Phase
- Bei anhaltendem Eisenmangel, der nicht behandelt wird, kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen. Dazu gehören Herzprobleme wie Herzinsuffizienz (Herzschwäche) aufgrund der chronischen Belastung durch die anhaltend niedrige Sauerstoffversorgung.
Behandlungsphase
- Mit der Einleitung einer adäquaten Therapie, insbesondere durch Eisenpräparate (oral oder intravenös), bessern sich die Symptome in der Regel innerhalb von Wochen. Die Hämoglobinwerte und Eisenreserven normalisieren sich oft innerhalb von 2-3 Monaten.
- In Fällen, in denen die Eisenmangelanämie auf chronische Blutungen oder ernste Grunderkrankungen wie Tumoren zurückzuführen ist, hängt der Behandlungserfolg von der Kontrolle der zugrunde liegenden Erkrankung ab.
Prognose
Günstige Prognose bei adäquater Behandlung
- Die Prognose einer Eisenmangelanämie ist in der Regel gut, wenn die Ursache rechtzeitig erkannt und behandelt wird. Die meisten Patienten erholen sich vollständig und erreichen wieder normale Hämoglobinwerte und Eisenreserven.
Risikofaktoren und Mortalität
- Männer mit einer Anämie (Hämoglobin [Hb]-Werte < 13,0 g/dl) haben eine um 40 % höhere Gesamtmortalität (Gesamtsterblichkeit). Dies ist besonders relevant bei Männern mit erhöhten Entzündungswerten (CRP-Spiegel: > 5 mg/dl), da diese eine höhere Mortalitätsrate (Sterberate) aufweisen [1].
- Hohe Hämoglobinwerte bei Männern sind ebenfalls mit einer erhöhten Inzidenz (Auftreten) von Myokardinfarkten (Herzinfarkten) und kardiovaskulären Ereignissen verbunden. Diese Effekte sind bei Frauen weniger ausgeprägt und oft nicht nachweisbar [1].
Langzeitprognose
- Die Langzeitprognose hängt stark von der zugrunde liegenden Ursache der Anämie ab. Bei behandelbaren Ursachen wie Ernährungsdefiziten oder leichten gastrointestinalen Blutungen ist die Prognose sehr gut.
- Bei schwerwiegenderen Grunderkrankungen wie chronischen Blutungen oder Tumoren ist die Prognose von der erfolgreichen Behandlung dieser Erkrankungen abhängig.
Durch frühzeitige Diagnose und adäquate Therapie kann die Eisenmangelanämie effektiv behandelt werden, wodurch langfristige Komplikationen vermieden werden können.
Literatur
- Jung C et al. Haemoglobin levels as a predictor for the occurrence of future cardiovascular events in adults – sex-dependent results from the EPIC trial. Eur J Intern Med 2023; https://doi.org/10.1016/j.ejim.2023.08.004
Leitlinien
- S3-Leitlinie: Präoperative Anämie. (AWMF-Registernummer: 001-024), April 2018 Langfassung
- S1-Leitlinie: Anämiediagnostik im Kindesalter. (AWMF-Registernummer: 025 - 027), Mai 2018 Langfassung
- S1-Leitlinie: Eisenmangelanämie. (AWMF-Registernummer: 025-021), Oktober 2021 Langfassung
- Hastka J et al.: Eisenmangel und Eisenmangelanämie.Onkopedia Juli 2022