Blutungsneigung – Differentialdiagnosen
Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)
- Blutungsneigung (urämisch) – durch die Urämie (Auftreten harnpflichtiger Substanzen im Blut oberhalb der Normwerte) verlängerte Blutungszeit
- Gerinnungsdefekte:
- Disseminierte intravasale Gerinnung (engl. Disseminated Intravascular Coagulation, DIC) ‒ erworbener lebensbedrohlicher Zustand, bei dem durch eine übermäßig stark ablaufende Blutgerinnung im Blutgefäßsystem Gerinnungsfaktoren verbraucht werden und daraus eine Blutungsneigung resultiert
- Leberversagen
- Hämophilie A, B
- Willebrand-Jürgens-Syndrom
- Vitamin-K-Mangel
- Blutungsneigung aufgrund Faktorenmangel, nicht näher bezeichnet
- Purpura, senile – im Alter auftretenden kleinfleckige Kapillarblutungen in der Haut an lichtexponierten Körperstellen (Handrücken und Unterarm)
- Purpura Schönlein-Henoch [neu: IgA-Vaskulitis (IgAV)] (Synonyme: anaphylaktoide Purpura; akutes infantile hämorrhagisches Ödem; Morbus Schönlein-Henoch; Purpura anaphylactoides; Purpura anaphylactoides; Purpura anaphylactoides; Purpura Schönlein-Henoch (PSH); Seidlmayer Kokardenpurpura; Schönlein-Henoch-Purpura; Vasculitis allergica; D69.0) ‒ immunologisch vermittelte Vaskulitis (Gefäßentzündung) der Kapillaren sowie prä- und postkapillären Gefäße, die meist komplikationslos verläuft; als Multisystemerkrankung betrifft sie bevorzugt Haut, Gelenke, Darm und Nieren
- Skorbut
- Thrombozytopenie (Thrombozyten < 150.000/μl):
- Synthesestörungen – aplastische Störungen: Fanconi-Syndrom; Knochenmarkschäden (Chemikalien – z. B. Benzol –, Infektionen (z. B. HIV); Zytostatikatherapie, Strahlentherapie)
- Knochenmarkinfiltrationen (Leukämien/Blutkrebs, Lymphome, Knochenmarkmetastasen)
- Reifungsstörungen (z. B. megaloblastäre Anämie/perniziöse Anämie)
- Gesteigerter peripher Umsatz von Thrombozyten (Blutplättchen)
- Disseminierte intravasale Gerinnung; Disseminated Intravascular Coagulation (DIC-Syndrom, kurz: DIC; Verbrauchskoagulopathie)
- Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP; Morbus Werlhof) – Autoantikörper-vermittelte Störung der Thrombozyten; Häufigkeit: 1-4 %
- Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) – Trias aus mikroangiopathischer, hämolytischer Anämie (MAHA; Form der Blutarmut, bei der die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) zerstört werden), Thrombozytopenie (krankhafte Verminderung der Thrombozyten) und akuter Nierenfunktionseinschränkung (acute kidney injury, AKI); meist bei Kindern im Rahmen von Infektionen auftretend; häufigste Ursache des akuten, dialysepflichtigen Nierenversagens im Kindesalter
- Hypersplenismus – Komplikation der Splenomegalie; führt zur Steigerung der funktionelle Kapazität über das notwendige Maß hinaus; infolgedessen kommt es zur überschießenden Elimination von Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Leukozyten (weiße Blutkörperchen) und Thrombozyten (Blutplättchen) aus dem peripheren Blut, sodass eine Panzytopenie (Synonym: Trizytopenie; Verminderung aller drei Zellreihen im Blut) entsteht.
- Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
- Gestationsthrombozytopenie (isolierte Thrombozytopenie); Manifestation: II./III. Trimenon/Schwangerschaftsdrittel; Verlauf: asymptomatisch; Häufigkeit: 75 %; betrifft ca. 5-8 % aller Schwangerschaften
- HELLP-Syndrom (H = hemolysis (Hämolyse), EL = elevated liver enzymes (Erhöhung der Leberenzyme), LP = low platelets (Thrombozytopenie)) – Sonderform der Präeklampsie, die mit Blutbildveränderungen einhergeht; Häufigkeit: 15-22 %
- Spontanblutungen, nicht näher bezeichnet Medikamenteninduzierte
- Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP; Synonym: Moschcowitz-Syndrom) ‒ akut einsetzende Purpura mit Fieber, Niereninsuffizienz (Nierenschwäche; Nierenversagen), Anämie (Blutarmut) sowie flüchtigen neurologischen und psychischen Störungen; Auftreten zum größten Teil sporadisch, bei der familiären Form autosomal-dominant
- Thrombozytopenie (wg. Medikamente; s. u.)
- Thrombozytopathie (Funktionsstörung der Thrombozyten):
- Angeborene Thrombozytendefekte: z. B. Glanzmann-Thrombasthenie, Bernard-Soulier-Syndrom
- Erworbene Thrombozytendefekte: Leberzirrhose, monoklonale Gammopathie, myeloproliferative Erkrankungen, Urämie, und durch eine Therapie mit Thrombozytenhemmern
- Willebrand-Jürgens-Syndrom (Synonyme: von-Willebrand-Jürgens-Syndrom; von-Willebrand-Syndrom, vWS) – häufigste angeborene Krankheit mit erhöhter Blutungsneigung; Erkrankung wird überwiegend autosomal-dominant mit variabler Penetranz übertragen, Typ 2 C und Typ 3 werden autosomal-rezessiv vererbt; es besteht ein quantitativer oder qualitativer Defekt des Von-Willebrand-Faktors; dieses beeinträchtigt u. a. die Thrombozytenaggregation (Zusammenlagerung von Blutplättchen) und deren Vernetzung und/oder (je nach Ausprägung der Erkrankung) wird der Abbau des Gerinnungsfaktors VIII nur ungenügend gehemmt.
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)
- Morbus Cushing (faciale Plethora) – Gruppe von Erkrankungen, die zum Hyperkortisolismus (Hypercortisolismus; Überangebot von Cortisol) führen
- Morbus Wilson (Kupferspeicherkrankheit) – autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, bei der durch eine oder mehrere Genmutationen der Kupferstoffwechsel in der Leber gestört ist
Haut und Unterhaut (L00-L99)
- Naevus fuscocaeruleus: blau-grüne oder blau-graue fleckförmige Ansammlung von Melanozyten, die in unterschiedlicher Größe, Form, Intensität und Lokalisation (Steißbein und Gesäß) ausgeprägt sind; Zunahme an Größe sowie Intensität im ersten Lebensjahr, spontane Rückbildung in den darauf folgenden Jahren; im Alter von fünf Jahren sind 97 % der Veränderungen nicht mehr erkennbar; Auftreten bei mittel- und nordeuropäischen Kindern in 1-10 % der Fälle
Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)
- Erythema infectiosum (Ringelröteln)
- Rubella (Röteln)
- Leishmaniose – Infektionskrankheit, die durch Parasiten der Gattung Leishmanien verursacht wird
- Virales hämorrhagisches Fieber (VHF)
Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)
- Pankreasinsuffizienz (Bauchspeicheldrüsenschwäche) (wg. verminderte Aufnahme von Vitamin K)
- Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
- Portale Hypertonie (Pfortaderhochdruck)
Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)
- Leukämie (Blutkrebs
- Morbus Hodgkin – maligne Neoplasie (bösartige Neubildung) des lymphatischen Systems mit möglichen Befall weiterer Organe
- Myelodysplastisches Syndrom (MDS) – erworbene klonale Erkrankungen des Knochenmarks, die mit einer Störung der Hämatopoese (Blutbildung) einhergeht; definiert durch [1]:
- dysplastische Zellen im Knochenmark oder Ringsideroblasten oder eine Vermehrung von Myeloblasten bis 19 %
- Zytopenien (Verminderung der Anzahl der Zellen im Blut) im peripheren Blutbild
- Ausschluss von reaktiven Ursachen dieser Zytopenien
- Non-Hodgkin-Lymphom – alle malignen (bösartigen) Lymphome, die kein Hodgkin-Lymphom sind
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Alkoholabhängigkeit
Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O00-O99)
- Gestationsthrombozytopenie (isolierte Thrombozytopenie; verminderte Anzahl von Thrombozyten (Blutplättchen) während der Schwangerschaft); Manifestation: II./III. Trimenon; Verlauf: asymptomatisch; Häufigkeit: 75 %; betrifft ca. 5-8 % aller Schwangerschaften
- HELLP-Syndrom (H = hemolysis (Hämolyse), EL = elevated liver enzymes (Erhöhung der Leberenzyme), LP = low platelets (Thrombozytopenie)) – Sonderform der Präeklampsie, die mit Blutbildveränderungen einhergeht; Häufigkeit: 15-22 %
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)
- Urämie – Auftreten harnpflichtiger Substanzen im Blut oberhalb der Normwerte
Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)
- Missbrauch von Personen
- Traumata (Verletzungen)
Medikamente, die zu einer erhöhten Blutungsneigung führen können (Ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht!):
- Antibiotika – Cephalosporine (Cefriaxon, Ceftazidin, Cefuroxim) + Oral-Cephaosporine
- Antikoagulantien* (Heparin, Tinzaparin, Enoxaparin, Fondaparinux, rt-PA)
- Omega-3-Fettsäuren (> 3 g pro Tag)
Thrombozytenfunktionsstörungen (Ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht!):
- Antibiotika*
- Acylaminopenicillin + ß-Laktamase-Inhibitor (Piperacillin + Tazobactam, Amoxicillin + Clavulansäure, Ampicillin + Sulbactam)
- Aminopenicillin (Amoxicillin, Ampicillin)
- Benzylpenicillin (Penicillin G)
- Cephalosporine (Cefalexin, Cefazolin, Cefepim, Ceftazidim, Ceftriaxon, Ceftriazon, Cefuroxim-Axetil, Loracarbef)
- Penicillin (Piperacillin + Tazobactam, Penicillin G, Penicillin V)
- Staphylokokkenpenicilline (Flucloxacillin)
*Die gleichzeitige Einnahme von Antikoagulantien und Antibiotika führt zu einem erhöhten Blutungsrisiko!
Thrombozytopenie (Mangel an Thrombozyten; ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht!):
- Antiepileptika (Valproinsäure/Valproat)
- Antiprotozoenmittel (Pentamidin)
- Heparin + HIT II (Heparin-induzierte Thrombozytopenie) – Argatroban, Danaparoid, Lepirudin
- Unfraktioniertes Heparin (UFH): Auftreten von HIT II in ca. 3 % der Fälle
- Fraktioniertes Heparin (NMH): Auftreten von HIT II in ca. 0,2 % der Fälle
- Phosphodiesterase-III-Hemmer (Enoximon, Milrinon)
- Thrombozytenaggregationshemmer (TAH): Clopidogrel, Prasugrel, Ticlopidin
- Virostatika
- Antisense-Oligonukleotid (Fomivirsen)
- Nukleosid-Analoga (Cidofovir, Ganciclovir, Valganciclovir)
- Sonstiges (Foscarnet)
Literatur
- Thol F, Heuser M, Ganser A: Myelodysplastic syndromes. Internist (Berl) 2015; 56: 364-73