Aplastische Anämie – Einleitung

Bei der aplastischen Anämie handelt es sich um eine Form der Anämie (Blutarmut), die durch eine Panzytopenie (Synonym: Trizytopenie; Verminderung aller drei Zellreihen im Blut; Stammzellerkrankung) und eine gleichzeitig vorliegende Hypoplasie (Funktionseinschränkung) des Knochenmarks gekennzeichnet ist.

Synonyme und ICD-10: Aplastic anemia; Aplastisches Syndrom; Argeneratorische Anämie; Panmyelopathie, Panmyelophtise; ICD-10-GM D61.9: Aplastische Anämie, nicht näher bezeichnet

Die aplastische Anämie gehört zu den hyporegenerativen Anämien, d. h. es liegt eine Störung der Erythropoese (Bildung von reifen Erythrozyten aus hämatopoetischen Stammzellen des blutbildenden Knochenmarks) vor.

Charakteristische Laborbefunde

  • Normochromasie und Normozytose: Bei einer aplastischen Anämie liegt typischerweise ein normaler mittlerer Hämoglobingehalt pro Erythrozyt (rote Blutkörperchen) (MCH) und ein normales mittleres Erythrozyteneinzelvolumen (MCV) vor. Dies bezeichnet man als normochrome normozytäre Anämie.
  • Retikulozytenzahl: Die Anzahl der Retikulozyten (unreife rote Blutkörperchen) ist in der Regel normal bis erniedrigt, was auf eine verminderte Erythropoese (Bildung von roten Blutkörperchen) im Knochenmark hinweist.
  • Panzytopenie: Bei einer aplastischen Anämie ist eine Panzytopenie charakteristisch, d. h. eine verminderte Anzahl aller Blutzellreihen (Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten) im peripheren Blut.
  • Knochenmarkbiopsie: Das Knochenmark zeigt eine Hypozellularität (verminderte Zellzahl) mit einer Abnahme der hämatopoetischen (blutbildenden) Zellen und einer Vermehrung des Fettgewebes.

Formen der aplastischen Anämie

Einteilung der aplastischen Anämie nach dem Schweregrad (2 von 3 Kriterien müssen erfüllt sein):

Schweregrad Granulozyten Thrombozyten
Retikulozyten
Nicht schwere Aplastische Anämie (nSAA)
< 1.500/µl < 50.000/µl < 60.000/µl
Schwere AA (SAA)
< 500/µl < 20.000/µl < 20.000/µl
Sehr (very) schwere AA (vSAA)
< 200/µl < 20.000/µl < 20.000/µl

Des Weiteren unterscheidet man eine kongenitale (angeborene) und erworbene Formen der aplastischen Anämie. Zu den wichtigsten Vertretern der beiden Formen zählen:

Kongenitale aplastische Anämie (tritt insgesamt selten auf)

  • Dyskeratosis congenita
  • Fanconi-Anämie

Erworbene aplastische Anämie

  • Aplastische Anämie durch Radiatio (Strahlentherapie) oder Zytostatika
  • Durch Immunerkrankungen bedingte aplastische Anämie
  • Viral bedingte aplastische Anämie

Bei mehr als der Hälfte aller Erkrankungsfälle bleibt die Ursache unklar.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.

Häufigkeitsgipfel: Zwei Altersgipfel – bei Teenagern und jungen Erwachsenen sowie bei älteren Personen. Es wird eine Korrelation zu hormonellen Veränderungen vermutet.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen)

  • Europa: ca. 2 Erkrankungen pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr.
  • China: ca. 2 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Unbehandelt: Die Prognose ist sehr schlecht, mit einer Letalität (Sterblichkeit bezogen auf die Gesamtzahl der an der Krankheit Erkrankten) von bis zu 70 % innerhalb kurzer Zeit.
  • Mit supportiver Therapie: Die Letalität kann auf ca. 50 % reduziert werden.
  • Mit immunsuppressiver Therapie oder allogener Knochenmarktransplantation: Die Letalität liegt unter 20 %.

Prognose

  • Granulozytenzahl: Ein wichtiger prognostischer Parameter – eine höhere Granulozytenzahl ist mit einer besseren Prognose verbunden.
  • Alter bei Diagnosestellung: Jüngere Patienten haben tendenziell eine bessere Prognose.