Schielen (Strabismus) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beim Strabismus (Schielen) handelt es sich um eine Fehlstellung der Augen, bei der eines oder beide Augen von der normalen Sehachse (Blickrichtung) abweichen. Die Augen sind nicht in der Lage, sich gemeinsam auf ein Objekt zu fokussieren, was zu unterschiedlichen Bildinformationen führt. Um Doppelsehen (Doppelbilder) zu vermeiden, passt das Gehirn die Bildwahrnehmung an, was langfristig zu Komplikationen wie Amblyopie (Schwachsichtigkeit; Sehschwäche) führen kann.

Neuromuskuläre Ursachen 

Die Steuerung der Augenbewegungen erfolgt durch die extraokulären Muskeln (Augenmuskeln), die wiederum durch Nervensignale kontrolliert werden. Bei Strabismus ist oft eine Dysbalance in der Funktion dieser Muskeln vorhanden, sodass die Augen nicht synchron arbeiten können. Diese Fehlfunktion kann auf Störungen in der zentralen Steuerung der Augenbewegungen durch das Gehirn zurückzuführen sein.

Genetische Faktoren 

In vielen Fällen gibt es eine genetische Veranlagung für Strabismus. Das bedeutet, dass das Schielen in Familien häufiger vorkommt, was auf erbliche Faktoren hinweist.

Fehlanpassung des optischen Systems 

Ein weiteres häufiges Merkmal des Strabismus ist die Fehlanpassung der optischen Achsen (Sehachsen). Insbesondere bei Anisometropie (unterschiedliche Brechkraft der Augen) kann das Gehirn Schwierigkeiten haben, die Bildinformationen beider Augen korrekt zu vereinen. Dies führt dazu, dass das Bild eines Auges unterdrückt wird, um Doppelbilder zu vermeiden, was die Fehlstellung des Auges verstärkt.

Entwicklungsbedingte Störungen 

Bei Kindern kann eine verzögerte Entwicklung der binokularen Fusion (Zusammenführung der Bilder beider Augen) auftreten – das ist die Fähigkeit, die Seheindrücke beider Augen zu einem einzigen Bild zu verschmelzen. Wenn diese Fähigkeit nicht vollständig entwickelt ist, weicht ein Auge ab, weil das Gehirn nicht in der Lage ist, beide Bilder korrekt zu verarbeiten.

Sekundäre Ursachen (Ursachen durch andere Erkrankungen)

Strabismus kann auch durch andere Grunderkrankungen ausgelöst werden, wie etwa:

  • Neurologische Erkrankungen, die die Steuerung der Augenmuskeln beeinträchtigen
  • Tumoren (Geschwülste) im Bereich des Auges oder des Gehirns
  • Verletzungen des Auges oder der Augenmuskeln
  • Andere Augenerkrankungen, wie etwa Linsentrübungen (Katarakt, grauer Star) oder Retinopathien (Erkrankungen der Netzhaut), die das Sehvermögen beeinträchtigen.

Amblyopie (Schwachsichtigkeit)

Eine der häufigsten Komplikationen bei Strabismus ist die Amblyopie (Sehschwäche). Das Gehirn unterdrückt das Bild des schielenden Auges (Suppression), um Doppelsehen (Doppelbilder) zu vermeiden. Dies führt dazu, dass das schielende Auge in der visuellen Entwicklung zurückbleibt und eine Sehschwäche entwickelt. Amblyopie tritt häufiger bei Kindern auf und ist eine Folge des Strabismus.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern
  • Mutter: Rauchen während der Schwangerschaft (OR = 1.46, 95 % CI = 1.32-1.60) [1]
    • < 10 Zigarette (OR = 1.17, 95 % CI = 1.06-1.29)
    • > 10 Zigaretten (OR = 1.79, 95 % CI = 1.39-2.31)  

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Unterlassen des Tragens einer Brille/von Kontaktlinsen bei Sehfehlern – beispielsweise neigen Kinder mit Hyperopie (Übersichtigkeit) zum Strabismus convergens (Einwärtsschielen)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Asphyxie – drohender Erstickungszustand infolge eines Absinkens des arteriellen Sauerstoffgehalts (Hypoxämie) und/oder einer Kohlendioxidanreicherung im Blut (Hyperkapnie).
  • Augentumoren wie das Retinoblastom
  • Augenverletzungen
  • Enzephalitis (Gehirnentzündung)
  • Frühgeborenenretinopathie (engl. Retinopathy of Prematurity, ROP) – nicht entzündliche Netzhauterkrankung, die durch den hohen Sauerstoffdruck bei der künstlichen Beatmung von zu früh geborenen Neugeborenen entsteht; alle Kinder, die vor der 31. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen, sollen auf ROP untersucht werden.
  • Ablatio retinae (Netzhautablösung)
  • Gehirntrauma
  • Hornhautnarben
  • Katarakt (Linsentrübung)
  • Körperliche Schwäche, die durch verschiedenste Krankheiten oder Verletzungen verursacht sein kann
  • Makulaveränderungen
  • Morbus Coats (Retinitis haemorrhagica) – seltene, angeborene Erweiterung der Netzhautgefäße, die zu fetthaltigen Ödemen und zur Netzhautablösung (Ablatio retinae) führen kann.
  • Retinopathien (Netzhauterkrankungen)
  • Starke Myopie (Kurzsichtigkeit)
  • Zustand nach Toxoplasmose

Weitere Ursachen

  • Frühgeborene

Literatur

  1. Yang Y et al.: Maternal smoking during pregnancy and the risk of strabismus in offspring: a meta‐analysis. Acta Ophthalmologica First published: 06 November 2018 https://doi.org/10.1111/aos.13953