Netzhautablösung (Ablatio retinae) – Operative Therapie
Die Ablatio retinae (Netzhautablösung) ist eine schwerwiegende ophthalmologische Notfallsituation, die eine rasche Behandlung erfordert, um irreversible Sehverluste zu vermeiden. Sie entsteht durch eine Ablösung der neurosensorischen Retina (Netzhautschicht mit Sinneszellen) vom retinalen Pigmentepithel (Pigmentzellschicht der Netzhaut, meist infolge eines Netzhautrisses. Die operative Behandlung zielt darauf ab, die Netzhaut wieder anzulegen und die Funktion der Photorezeptoren (lichtempfindliche Sinneszellen) zu erhalten.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Eine operative Behandlung ist erforderlich bei:
- Rhegmatogener Ablatio retinae (rissbedingte Netzhautablösung) – Netzhautablösung durch ein rissbedingtes Netzhautloch.
- Traktionsbedingter Ablatio retinae (zugbedingte Netzhautablösung) – Bedingt durch Zugkräfte des Glaskörpers auf die Netzhaut, z. B. bei proliferativer diabetischer Retinopathie.
- Exsudativer Ablatio retinae (flüssigkeitsbedingte Netzhautablösung) – Durch Flüssigkeitsansammlungen zwischen der Netzhaut und dem retinalen Pigmentepithel, z. B. infolge entzündlicher Prozesse oder Tumore.
- Makulabeteiligung oder drohende Makulainvolvierung – Besonders zeitkritisch, da eine Mitbeteiligung der Fovea centralis (Sehgrube, Bereich des stärksten Sehens) irreversible Visusverluste (Sehverlust) verursachen kann.
- Progrediente Netzhautablösung – Schnelle Ausbreitung der Ablatio retinae.
- Vorhandensein multipler Netzhautlöcher oder -risse.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Endstadium der Erkrankung mit irreversibler Schädigung der Retina
- Schwerste Komorbiditäten (Begleiterkrankungen), die eine Operation nicht zulassen
- Massive Glaskörperblutungen mit unklarem retinalem Befund
Operationsverfahren
Die Wahl der Operationsmethode hängt von der Ursache, dem Ausmaß und der Lokalisation der Ablatio retinae ab.
Laser- und Kryokoagulation (bei geringer Netzhautablösung)
- Laserkoagulation: Durch gezielte Lasertherapie werden Netzhautlöcher durch thermische Koagulation versiegelt und die Netzhaut stabilisiert.
- Kryokoagulation (Kälte Behandlung der Netzhaut): Einfrieren der Netzhautareale zur Erzeugung einer chorio-retinalen Adhäsion.
Skleraeindellende Verfahren (bei größeren Arealen)
- Silikonschaumplombe (Polster aus Silikon auf der Lederhaut): Platzierung einer Plombe auf die Sklera (Lederhaut) zur lokalen Eindellung der Netzhaut.
- Cerclage (Umschnürung des Augapfels): Ein Silikonband wird um den Bulbus oculi (Augapfel) gelegt, um Zugkräfte zu verringern und die Netzhaut anliegen zu lassen.
Vitrektomie (Glaskörperentfernung, bei komplizierter Netzhautablösung)
- Entfernung des Glaskörpers zur Reduktion der traktionalen Kräfte.
- Injektion von Gas (z. B. Schwefelhexafluorid, Perfluorpropangas) oder Silikonöl zur Tamponade der Netzhaut.
- Bei proliferativer Vitreoretinopathie (PVR; Netzhautnarbenbildung) ist die Vitrektomie in Kombination mit Membran-Peeling erforderlich.
- Bei Ablatio nach Kataraktoperation (Operation des grauen Stars) ist die Vitrektomie den skleraeindellenden Verfahren überlegen.
Postoperative Nachsorge
- Befundabhängige Kontrollen in den ersten Wochen, da die meisten Komplikationen innerhalb von sechs Wochen auftreten.
- Lagerungsvorgaben: Bei Gas-Tamponade muss der Patient in einer bestimmten Kopfhaltung verbleiben.
- Vermeidung von Flugreisen, solange intraokuläres Gas vorhanden ist.
- Einschränkung körperlicher Belastung, insbesondere schweres Heben und plötzliche Kopfbewegungen vermeiden.
- Verlaufskontrollen zur Visusbestimmung und Netzhautstatus.
Mögliche Komplikationen
- Rekurrenz der Netzhautablösung (erneute Ablatio durch unvollständige Adhäsion oder neue Netzhautlöcher)
- Epiretinale Membranbildung (Narbenbildung auf der Makula)
- Glaskörperblutungen
- Sekundärglaukom (Druckanstieg im Auge) durch Gas oder Silikonöl
- Endophthalmitis (intraokulare Infektion)
Vergleich der Operationsmethoden
Methode | Technik | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Laserkoagulation | Gezielte Laseranwendung zur Netzhautfixierung | Minimal-invasiv, ambulant durchführbar | Nicht anwendbar bei großer Ablatio retinae |
Skleraeindellung (Plombe, Cerclage) | Platzierung einer Plombe oder eines Silikonbandes zur Eindellung | Guter Langzeiterfolg, Erhalt des Glaskörpers | Mögliche Myopieprogression, Doppelbilder |
Vitrektomie | Entfernung des Glaskörpers, Tamponade mit Gas oder Silikonöl | Beste Option bei komplizierter Ablatio, gute anatomische Erfolgsraten | Längere Erholungszeit, mögliche Kataraktbildung |
Fazit
Die operative Therapie der Ablatio retinae erfordert eine individuell angepasste Strategie, um eine dauerhafte Wiederanlagerung der Netzhaut zu erreichen. Die Wahl des Verfahrens hängt von der Pathogenese, dem Stadium und den individuellen Patientenfaktoren ab. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend für das funktionelle Ergebnis.
Hinweis zur Entbindung bei Myopie oder Zustand nach Netzhautoperation
- Eine natürliche Entbindung ist in den meisten Fällen möglich.
- Weder eine Myopie noch der Zustand nach rissbedingter Ablatio retinae stellt bei anliegender Netzhaut eine absolute Kontraindikation für eine vaginale Entbindung dar.
- Eine Kaiserschnittentbindung kann bei ausgeprägter Netzhautvorschädigung oder rekurrenter Netzhautablösung erwogen werden.