Diabetische Retinopathie – Operative Therapie
Die diabetische Retinopathie (diabetische Netzhauterkrankung) ist eine schwerwiegende ophthalmologische Komplikation des Diabetes mellitus, die unbehandelt zu irreversibler Erblindung führen kann. Die operative Therapie umfasst verschiedene Verfahren zur Reduktion von Komplikationen und Verbesserung der Sehverlaufsprognose.
Indikationen (Anwendungsgebiete) [1]
- Proliferative diabetische Retinopathie (PDR; fortgeschrittene Formen der diabetischen Netzhauterkrankung):
- Eine panretinale Laserkoagulation (PRP) soll erfolgen, um das Risiko schwerwiegender Komplikationen, insbesondere einer Netzhautablösung oder Glaskörperblutung, zu reduzieren.
- Nicht-proliferative diabetische Retinopathie (NPDR; frühe Form der diabetischen Netzhauterkrankung):
- Bei einer milden oder mäßigen NPDR soll keine panretinale Lasertherapie angeboten werden.
- Bei einer schweren NPDR kann bei bestimmten Hochrisikopatienten eine panretinale Laserkoagulation erwogen werden.
- Diabetisches Makulaödem (DME; Flüssigkeitsansammlung in der Netzhautmitte):
- Eine fokale oder gridförmige Lasertherapie kann bei einem Visus-bedrohenden klinisch signifikanten Makulaödem ohne Foveabeteiligung angeboten werden.
- Persistierende oder rezidivierende Glaskörperblutung:
- Indikation zur Vitrektomie bei nicht resorbierender Glaskörperblutung.
- Traktive Netzhautablösung:
- Eine Vitrektomie ist indiziert bei drohender oder bereits vorhandener traktiver Netzhautablösung im Makulabereich.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Stark reduzierte Sehprognose aufgrund weit fortgeschrittener diabetischer Retinopathie.
- Allgemeiner schlechter Gesundheitszustand des Patienten, der eine Operation mit erhöhtem Risiko verbindet.
- Bei fokaler Lasertherapie: Foveabeteiligung, da hier das Risiko einer irreversiblen Sehverschlechterung besteht.
Operationsverfahren
- Panretinale Laserkoagulation (PRP; Laserbehandlung zur Verödung von Netzhautgefäßen):
- Koagulation der gesamten Retina mit Ausnahme der Makula zur Reduktion der ischämischen Netzhautareale und Verminderung des Sauerstoffbedarfs.
- Fokale oder gridförmige Lasertherapie:
- Anwendung bei diabetischem Makulaödem ohne Foveabeteiligung zur Reduktion der extrazellulären Flüssigkeit.
- Vitrektomie (Glaskörperentfernung):
- Indiziert bei persistierender Glaskörperblutung oder traktiver Netzhautablösung, um das Risiko eines irreversiblen Sehverlustes zu minimieren.
Postoperative Nachsorge
- Engmaschige augenärztliche Kontrolle zur Beurteilung der Netzhautsituation.
- Verlaufskontrolle mittels optischer Kohärenztomographie (OCT) zur Beurteilung des Makulaödems.
- Bei Vitrektomie: Anwendung von topischen Antibiotika und entzündungshemmenden Augentropfen zur Infektionsprophylaxe.
Mögliche Komplikationen
- Netzhautablösung: Kann nach der Operation auftreten oder durch den fortgeschrittenen Diabetes mellitus bedingt sein.
- Nachblutungen in den Glaskörperraum: Können zu erheblicher Sehminderung führen.
- Katarakt (grauer Star): Entwickelt sich innerhalb von 5 Jahren postoperativ bei 80 % der Patienten, die eine Vitrektomie erhalten haben.
- Makulaödem: Kann sich nach Laserkoagulation oder Vitrektomie entwickeln.
Vergleich der Operationsmethoden
Verfahren | Indikation | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Panretinale Laserkoagulation (PRP) | PDR, schwere NPDR | Reduziert Risiko für Netzhautablösung und Erblindung | Gesichtsfeldverlust, Nachtsichtverschlechterung |
Fokale/gridförmige Lasertherapie | Klinisch signifikantes Makulaödem ohne Foveabeteiligung | Reduktion des Makulaödems, stabiler Visus | Risiko von Narbenbildung, begrenzte Effektivität |
Vitrektomie | Persistierende Glaskörperblutung, traktive Netzhautablösung | Schnelle Wiederherstellung des Sehvermögens, Entfernung von Blut und Membranen | Risiko für Netzhautablösung, Kataraktentwicklung |
Weitere Hinweise
- Beachte: Gemäß einer randomisierten Studie muss ein Makulaödem nicht mittels Laserkoagulation oder Injektion von Anti-VEGF-Medikamenten behandelt werden, solange es nicht zu einer Verschlechterung des Visus gekommen ist. In der Multicenterstudie nahmen 702 Patienten mit diabetischem Makulaödem (Ansammlung extrazellulärer Flüssigkeit (Ödem) im Bereich des Gelben Flecks (Macula lutea)) und einem Visus von 20/25 oder besser Teil. Die Patienten wurden per Los drei Behandlungsstrategien zugeordnet: erste Gruppe erhielt alle 4 Wochen eine intraokular Injektion mit Aflibercept, die zweite Gruppe erhielt eine Laserkoagulation und die dritte Gruppe diente als Kontrollgruppe. Nach 2-jähriger Studiendauer stellte sich folgendes Ergebnis dar: Der primäre Endpunkt eine Verschlechterung des Visus, trat in allen drei Gruppen gleich häufig auf.
Fazit: Eine sofortige Anti-VEGF-Behandlung hat die Patienten möglicherweise vor Komplikationen geschützt (z. B. Augenverlust durch Endophthalmitis). Des Weiteren sei erwähnt, dass es unter der Aflibercept-Behandlung häufiger zu einem Anstieg des Augeninnendrucks kam als im Vergleich zur Kontrollgruppe (8 versus 3 %) [4]. - Bei milden Schäden an der Retina (Netzhaut) im frühen Stadium soll keine Laserbehandlung durchgeführt werden [3].
- Eine randomisierte klinische Studie konnte zeigen, dass im Vergleich mit einer panretinalen Laserkoagulation (s. o.) der Nutzen einer intravitrealen ("in den Glaskörper hinein") Injektion des VEGF-Inhibitors Ranibizumab bei der proliferativen diabetischen Retinopathie mindestens vergleichbar oder sogar höher sein könnte [2].
Fazit
Die operative Therapie der diabetischen Retinopathie umfasst primär die panretinale Laserkoagulation, die fokale Lasertherapie sowie die Vitrektomie. Die Wahl des Verfahrens richtet sich nach dem Stadium der Retinopathie und dem Vorliegen von Komplikationen. Eine frühzeitige Intervention kann das Risiko für schwere Sehstörungen oder Erblindung reduzieren. Die postoperative Nachsorge ist essenziell, um mögliche Komplikationen zu vermeiden und die bestmögliche Sehverlaufsprognose zu gewährleisten.
Literatur
- S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes. (AWMF-Registernummer: nvl-001), Mai 2023 Langfassung
- Writing Committee for the Diabetic Retinopathy Clinical Research Network: Panretinal Photocoagulation vs Intravitreous Ranibizumab for Proliferative Diabetic Retinopathy. A Randomized Clinical Trial. JAMA. Published online November 13, 2015. doi:10.1001/jama.2015.15217
- Patienten-Leitlinie: Diabetes. Schäden an der Netzhaut: Vorbeugen und behandeln. Mai 2016. Patienten-Information zu Diabetes und Augen
- Baker CW et al.: Effect of Initial Management With Aflibercept vs Laser Photocoagulation vs Observation on Vision Loss Among Patients With Diabetic Macular Edema Involving the Center of the Macula and Good Visual Acuity A Randomized Clinical Trial JAMA. Published online April 29, 2019. doi:10.1001/jama.2019.5790
Leitlinien
- Patienten-Leitlinie: Diabetes. Schäden an der Netzhaut: Vorbeugen und behandeln. Mai 2016. Patienten-Information zu Diabetes und Augen
- S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes. (AWMF-Registernummer: nvl-001), Mai 2023 Langfassung