Unterschied zwischen Anti-Ageing, Longevity und Reversing Age

Der Alterungsprozess ist ein komplexes biologisches Zusammenspiel genetischer, epigenetischer, metabolischer, hormoneller und umweltbedingter Faktoren. In der modernen Medizin und Gesundheitsforschung werden die Begriffe Anti-Aging, Longevity (Langlebigkeit) und Reversing Age (Altersumkehr) häufig verwendet, um unterschiedliche Ansätze zur Beeinflussung des Alterns zu beschreiben. Im Folgenden werden die Unterschiede dieser Konzepte mit besonderem Fokus auf genetische, epigenetische, metabolische und hormonelle Mechanismen sowie evidenzbasierte Präventionsstrategien detailliert erläutert.

Genetische, epigenetische und umweltbedingte Mechanismen des Alterns

Der Alterungsprozess wird maßgeblich von genetischen, epigenetischen und umweltbedingten Veränderungen beeinflusst:

  • Genetische Prädispositionen – Bestimmte Gene beeinflussen die individuelle Lebensspanne und die Anfälligkeit für altersbedingte Erkrankungen. Mutationen in Genen wie SIRT1 oder FOXO3A stehen in Zusammenhang mit einer längeren Lebensspanne.
  • Epigenetische Modifikationen – Veränderungen in der DNA-Methylierung und Histon-Modifikation beeinflussen die Genexpression ohne Veränderung der DNA-Sequenz. Diese epigenetischen Marker verändern sich mit dem Alter und können durch Lebensstilfaktoren wie Ernährung und Bewegung beeinflusst werden.
  • Umweltfaktoren – Toxine, UV-Strahlung, Luftverschmutzung und Schadstoffe können die Alterung auf zellulärer Ebene beschleunigen. Maßnahmen zur Minimierung der Exposition sind essenziell.

Anti-Aging

Definition: Anti-Aging umfasst Maßnahmen, die darauf abzielen, die sichtbaren und physiologischen Zeichen des Alterns zu verlangsamen oder zu verhindern. Der Schwerpunkt liegt auf der Erhaltung der körperlichen Vitalität sowie eines jugendlichen Erscheinungsbildes.

Wichtige genetische, epigenetische und metabolische Mechanismen:

  • Telomerase-Aktivierung – Telomere sind Schutzkappen an den Enden der Chromosomen, die sich bei jeder Zellteilung verkürzen. Die Aktivierung des Enzyms Telomerase kann die Telomerlänge erhalten und so die Zelllebensdauer verlängern.
  • Reduktion oxidativen Stresses – Oxidativer Stress entsteht durch ein Ungleichgewicht zwischen freien Radikalen und Antioxidantien. Der Einsatz von Antioxidantien kann freie Radikale neutralisieren und den Alterungsprozess verlangsamen.

Evidenzbasierte Strategien:

  • Verwendung von Antioxidantien (z. B. Vitamin C, Vitamin E)
  • Stressmanagement und ausreichender Schlaf
  • Schutz der Haut vor UV-Strahlung

Longevity (Langlebigkeit)

Definition: Der Begriff Longevity zielt auf die Verlängerung der gesunden Lebensspanne durch Förderung von Gesundheit und Lebensqualität. Die Strategien umfassen sowohl präventive Maßnahmen als auch Interventionen, um altersbedingte Krankheiten zu vermeiden.

Wichtige genetische, epigenetische, metabolische und hormonelle Mechanismen:

  • Insulin/IGF-1-Signalweg – Eine reduzierte Aktivität dieses Signalwegs wird mit einer verlängerten Lebensspanne in Verbindung gebracht. Dieser Signalweg kann durch Kalorienrestriktion oder intermittierendes Fasten beeinflusst werden.
  • AMPK-Aktivierung – Die AMP-aktivierte Proteinkinase (AMPK) reguliert den Energiestoffwechsel und fördert die Autophagie (Zellreinigung und -erneuerung). AMPK kann durch Bewegung, Kalorienrestriktion und spezifische Nährstoffe aktiviert werden.
  • Sirtuine – Diese Enzyme regulieren die DNA-Reparatur und die mitochondriale Funktion. Eine Aktivierung von Sirtuinen kann durch Resveratrol oder Fasten erreicht werden.

Evidenzbasierte Strategien:

  • Intermittierendes Fasten
  • Mediterrane Ernährung mit hohem Anteil an Polyphenolen
  • Regelmäßige körperliche Aktivität (vor allem Ausdauer- und Krafttraining)

Reversing Age (Altersumkehr)

Definition: Reversing Age umfasst experimentelle Ansätze, die darauf abzielen, altersbedingte Zellschäden rückgängig zu machen und die jugendliche Zellfunktion wiederherzustellen. Diese Ansätze befinden sich größtenteils noch in der Forschungsphase.

Wichtige genetische, epigenetische und experimentelle Ansätze:

  • Senolytische Therapien – Entfernung seneszenter Zellen, die nicht mehr teilungsfähig sind und entzündungsfördernde Stoffe abgeben. Dadurch soll die altersbedingte Entzündung reduziert werden.
  • Epigenetische Reprogrammierung – Veränderung der Genexpression durch Modifikation epigenetischer Marker, um Zellen in einen jugendlicheren Zustand zurückzuführen.
  • Genmanipulation – Potenzial, Gene zu modifizieren, um die Zellalterung zu verlangsamen oder rückgängig zu machen.

Vielversprechende Methoden:

  • Einsatz von Senolytika (z. B. Quercetin, Dasatinib)
  • Genetische Manipulation zur Reaktivierung jugendlicher Genmuster
  • Stammzelltherapien

Verhaltensbedingte Risikofaktoren

Der Alterungsprozess kann durch bestimmte Lebensstilfaktoren beschleunigt werden:

  • Ernährung – Eine hyperkalorische Ernährung fördert oxidativen Stress und chronische Entzündungen. Defizite an essenziellen Mikronährstoffen wie Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren (Docosahexaensäure, Eicosapentaensäure), Zink und Selen können die Zellalterung beschleunigen.
  • Genussmittelkonsum – Chronischer Alkoholkonsum und Nikotin beschleunigen die Zellalterung durch oxidativen Stress und Telomerverkürzung.
  • Körperliche Aktivität – Bewegungsmangel reduziert die mitochondriale Funktion und fördert metabolische Störungen wie Insulinresistenz. Übermäßige Belastung kann jedoch oxidativen Stress verstärken.
  • Umweltfaktoren – Toxine, Luftverschmutzung und UV-Strahlung können die Zellalterung begünstigen. Maßnahmen zur Reduktion der Exposition sind essenziell.

Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)

Zur Prävention metabolischer und hormoneller Alterserscheinungen sollten folgende Schutzfaktoren gefördert werden:

  • Ernährung
    • Eine antioxidative Ernährung mit Polyphenolen (z. B. Resveratrol) kann oxidativen Stress reduzieren.
    • Kalorienrestriktion fördert die Autophagie und verlängert die Lebensspanne durch Aktivierung von Sirtuinen.
  • Genussmittelkonsum
    • Verzicht auf Rauchen reduziert oxidative DNA-Schäden.
    • Moderater Alkoholkonsum kann den HDL-Cholesterinspiegel erhöhen.
  • Körperliche Aktivität
    • Regelmäßige Bewegung verbessert die mitochondriale Funktion und Insulinsensitivität.
    • Krafttraining verhindert Sarkopenie und fördert die Sekretion von Myokinen (hormonellen Botenstoffen).
  • Umweltfaktoren
    • Vermeidung von Schadstoffen und Toxinen.
    • Schutz vor UV-Strahlung durch geeignete Kleidung und Sonnenschutzmittel.

Sekundärprävention

Die Sekundärprävention zielt darauf ab, erste altersbedingte Anzeichen frühzeitig zu erkennen und gezielt Maßnahmen einzuleiten:

  • Früherkennung und Diagnostik
    • Regelmäßige Laborkontrollen zur Überprüfung von Vitamin- und Mikronährstoffspiegeln (z. B. Vitamin D, B12).
    • Hormonstatusanalysen zur Identifikation von Defiziten in Testosteron, DHEA, Estradiol und Cortisol.
    • Screening auf metabolische Störungen (z. B. Insulinresistenz, Dyslipidämie).
  • Lebensstiländerungen
    • Anpassung der Ernährung zur Reduktion oxidativen Stresses.
    • Einführung eines regelmäßigen Bewegungsprogramms zur Förderung der mitochondrialen Funktion.
  • Therapieansätze
    • Einsatz von Mikronährstoffen wie Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren und Zink.
    • Hormontherapien bei diagnostizierten Defiziten (z. B. DHEA, Testosteron, Melatonin).

Tertiärprävention

Die Tertiärprävention fokussiert sich auf die Minimierung von Komplikationen bei bestehenden altersbedingten Stoffwechsel- und Hormonstörungen:

  • Langzeittherapie
    • Einsatz von bioidentischen Hormonen zur Behandlung von Hormonmangelzuständen.
    • Supplementation mit Mikronährstoffen zur Förderung der Zellgesundheit.
  • Rehabilitation und Nachsorge
    • Physiotherapie zur Erhaltung der Mobilität und Vermeidung von Stürzen.
    • Kognitive Therapie zur Förderung der mentalen Gesundheit.
  • Psychosoziale Unterstützung
    • Teilnahme an Selbsthilfegruppen zur Verbesserung der Lebensqualität.
    • Psychologische Begleitung zur Anpassung an altersbedingte Veränderungen.

Zusammenfassung

Die Begriffe Anti-Aging, Longevity und Reversing Age beschreiben unterschiedliche Ansätze zur Verlängerung der Lebensspanne und Verbesserung der Lebensqualität. Während sich Anti-Aging auf die Verzögerung äußerer Alterungszeichen konzentriert, liegt der Fokus von Longevity auf der Verlängerung der gesunden Lebensjahre. Reversing Age bleibt ein experimentelles Feld, das darauf abzielt, altersbedingte Zellschäden rückgängig zu machen. Ein tiefgehendes Verständnis der genetischen, epigenetischen und metabolischen Mechanismen ist essenziell, um evidenzbasierte Strategien zur Förderung der Gesundheit im Alter zu entwickeln.

© Deutsche Klinik für Prävention, Bad Münder

Literatur

  1. Schlüsselgene und Signalwege in der Anti-Aging-Forschung: Ein Überblick (siehe in den Subthemen)