Subklinische Inflammation – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die (subklinische) Inflammation, auch bekannt als "silent inflammation," stellt eine Immunreaktion des angeborenen (unspezifischen) Immunsystems dar, die durch endogene oder exogene Reize ausgelöst wird. Diese Reize können die physiologischen Abläufe des Körpers stören und somit eine Entzündungsreaktion initiieren.

Im Verlauf der Metabolisierung – insbesondere durch Konjugationsprozesse polarer und hydrophiler Stoffe wie Glukuronisierung oder Methylierung – werden Moleküle verbraucht, die für die endogene Detoxikation notwendig sind. Diese Moleküle stehen dann nicht mehr ausreichend zur Neutralisierung exogener Noxen zur Verfügung, was eine Inflammation fördert.

Metaflammation

Der Begriff "Metaflammation" beschreibt eine durch den Metabolismus ausgelöste Entzündungsreaktion, die eng mit subklinischen Inflammationsprozessen verknüpft ist. Diese Form der Entzündung geht mit der Produktion proinflammatorischer Zytokine einher, darunter IL-1ß, IL-6, IL-8, TNF-α und IFN-γ, und trägt zur Entstehung eines Circulus vitiosus bei. Dieser Teufelskreis wird durch oxidativen und nitrosativen Stress verstärkt, was langfristig zu Zellschäden führt [1].

LPS-induzierte Entzündungsprozesse

Lipopolysaccharide (LPS) – Bestandteile der Zellwände gramnegativer Bakterien – werden freigesetzt, wenn diese Bakterien absterben, beispielsweise bei einer Parodontitis. LPS-aktivierte Prozesse im Darm und dem dentalen Mundhöhlensystem aktivieren über die Signalkette NF-κB die Genexpression der Entzündungszytokine TNF-α, IL-1ß und IL-6. Dieser Mechanismus führt zusätzlich zur Aktivierung der induzierbaren Stickstoffmonoxid-Synthase (iNOS), was wiederum eine übermäßige Produktion von reaktiven Stickstoffradikalen (NO) und nitrosativem Stress verursacht. Diese Überproduktion von NO und den daraus resultierenden Radikalen ist ein Auslöser von Mitochondriopathien.

LPS im Serum dient als Marker für subklinische Inflammation und kann die Fettzellen stimulieren. Diese reagieren mit einer verstärkten Expression des Enzyms 11β-Hydroxy-Steroiddehydrogenase-1 (11β-HSD-1), welches eine Schlüsselrolle im Glucocorticoidstoffwechsel spielt. Dieses Enzym fördert die Zelldifferenzierung und -reifung von Adipozyten (Fettzellen) und trägt zur vermehrten Fettablagerung im zentralen Körperbereich bei.

Endotoxämie

Eine Endotoxämie – das Vorhandensein von bakteriellen Toxinen (Endotoxinen) im Blut – kann durch bakterielle Translokation von Endotoxinen aus dem Darm, dem dentalen Mundhöhlensystem (z. B. durch Parodontitis/Erkrankungen des Zahnhalteapparates) oder durch eine verminderte Detoxikationskapazität der Leber verursacht werden, etwa bei Hepatitis (Leberentzündung).

Ursachen der erhöhten bakteriellen Translokation:

  • Fettreiche Ernährung: LPS werden über Chylomikronen aufgenommen.
  • Leaky Gut-Syndrom: Eine erhöhte Darmpermeabilität führt zur vermehrten Durchlässigkeit von Endotoxinen (kontrovers diskutiert).
  • Dysbiose: Eine gestörte Balance der Darmflora, insbesondere eine Überwucherung mit gramnegativen Bakterien, fördert die Translokation.

Zytokine und Entzündungsreaktionen

Bakterielle oder virale Infektionen aktivieren proinflammatorische Zytokine und NO, das durch TH1-Zytokine aktiviert wird. Diese Zytokine können sowohl lokale als auch systemische Entzündungsreaktionen auslösen.

Zytokine und ihre Wirkung

Zytokin(e)  Wirkung 
IL-1ß, IL-6, TNF-α proinflammatorisch
IL-8 Chemotaktische Rekrutierung von Leukozyten
IL-10 antiinflammatorisch
IL-12 Differenzierung von TH1-Zellen

Diese Zytokine spielen eine zentrale Rolle bei der Regulation des Entzündungsprozesses und tragen maßgeblich zur Pathogenese der subklinischen Inflammation bei [2].

Die Rolle von oxidativem und nitrosativem Stress, in Kombination mit der Aktivierung proinflammatorischer Zytokine und einer gestörten Mitochondrienfunktion, verstärkt die systemische Wirkung der subklinischen Inflammation, was langfristig zu chronischen Erkrankungen führen kann.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern (genetische Konditionen)?
  • Berufe – Berufe, die mit exogen Noxen (Allergene, Schadstoffe etc.) einhergehen 

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Erhöhte Zufuhr gesättigter Fettsäuren (engl saturated fatty acis, SFA) [3]
    • Erhöhte Zufuhr von Lebensmitteln mit hohem glykämischen Index → Erhöhung der NF-κB-Aktivierung und NF-κB-Bindung in mononuklearen Zellen [4]
    • Verzehr belasteter Lebensmittel (z. B. Pestizide, Schwermetalle etc.)
    • Verzehr prozessierter Lebensmittel/verarbeitete Lebensmittel (z. B. Lebensmittelzusatzstoffe)
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen: u. a. Eisenmangel (kann wahrscheinlich niedriggradige Entzündungen triggern): Patienten mit Eisenmangel (Serumspiegel des löslichen Transferrinrezeptors > 28,1 nmol/l) hatten bei Studienbeginn höhere Il-6- und hsCRP-Werte als Teilnehmer ohne Eisendefizit. [6]
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol
    • Tabak (Rauchen)
  • Körperliche Aktivität
    • Extreme körperliche Arbeit
  • Psycho-soziale Situation
    • Chronischer Stress (Dauerstress)
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
  • Androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp) – es liegt ein hoher Taillenumfang bzw. ein erhöhter Taille-Hüft-Quotient (THQ; englisch: waist-to-hip-ratio (WHR)) vor; siehe dazu unter "Fettgewebe als endokrines Organ" – insb. Fetuin A, Tumornekrosefaktor (TNF-Alpha), IL-6 und andere Zytokine
    Bei der Messung des Taillenumfangs gemäß der Richtlinie der International Diabetes Federation (IDF, 2005) gelten folgende Normwerte:
    • Männer < 94 cm
    • Frauen < 80 cm
    Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft veröffentlichte 2006 etwas moderatere Zahlen für den Taillenumfang: 102 cm bei Männern und 88 cm bei Frauen.

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Allergene (Pollinosis/Allergische Rhinitis (Heuschnupfen), Nahrungsmittelallergien, Medikamentenallergien u. a.)
  • Autoimmunerkrankungen
    • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED; engl. inflammatory bowel disease, IBD): Colitis ulcerosa, Morbus Crohn)
    • Diabetes mellitus Typ 1
    • Multiple Sklerose (MS)
    • Psoriasis (Schuppenflechte)
    • Rheumatische Erkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis)
    • Zöliakie/Erkrankung der Dünndarmmukosa (Dünndarmschleimhaut), die auf einer Überempfindlichkeit gegen das Getreideeiweiß Gluten beruht
  • Depression
  • Diabetes mellitus Typ 2
  • Hyperinsulinismus – Vorliegen erhöhter Insulinwerte im Blut (Nüchterninsulin > 17 mU/l)
  • Infektionen:
    • Candidiasis (Sammelbezeichnung für Infektionskrankheiten durch Pilze der Gattung Candida)
    • bakterielle Infektionen: insb. Parodontitis; Chlamydia pneumoniae u. a.
    • Parasiten
    • virale Infektionen: EBV?, CMV? u. a.

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • CRP (C-reaktives Protein) bzw. hs-CRP (high-sensitivity (hochsensitives) CRP)
  • LPS (Lipopolysaccharide)
  • Nüchterninsulin > 17 mU/l
  • Triglyceride (Hypertriglyzeridämie) [5]

Medikamente

  •  Zytostatika (Substanzen, die das Zellwachstum beziehungsweise die Zellteilung hemmen)

Röntgenstrahlen

  • Strahlentherapie (Radiotherapie, Radiatio)
  • Ionisierende Strahlen 

Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Luftschadstoffe: Feinstaub
  • Gefährliche Arbeitsstoffe
  • Kunststoffe
  • Pestizide/Insektizide
  • Schwermetalle

Literatur

  1. Pall ML: Explaining „Unexplained Illnesses“: Disease Paradigm for Chronic Fatigue Syndrome, Multiple Chemical Sensitivity, Fibromyalgia, PostTraumatic Stress Disorder, Gulf War Syndrome and Others. Harrington Park Press; New York 2007
  2. Pall ML: Teufelskreis NO/ONOO- -Zyklus, oxidativer Stress, mitochondriale, inflammatorische und neurologische Dysfunktion. umwelt·medizin·gesellschaft | 23 | 4/2010
  3. Calder PC, Ahluwalia N, Albers R et al.: A consideration of biomarkers to be used for evaluation of inflammation in human nutritional studies. Br J Nutr 2013 Jan;109 Suppl 1:S1-34. doi: 10.1017/S0007114512005119.
  4. Hu Y, Block G, Norkus EP et al.: Relations of glycemic index and glycemic load with plasma oxidative stress markers. Am J Clin Nutr 2006 Jul;84(1):70-6; quiz 266-7.
  5. Zewinger S et al.: Apolipoprotein C3 induces inflammation and organ damage by alternative inflammasome activation' has been scheduled for publication. Nature Immunology 9 December 2019 in https://www.nature.com/articles/s41590-019-0548-1 doi 10.1038/s41590-019-0548-1
  6. Wieczorek M et al.: Iron deficiency and biomarkers of inflammation: a 3-year prospective analysis of the DO-HEALTH trial Aging Clin Exp Res 2022;34, 515-525 https://doi.org/10.1007/s40520-021-01955-3