Somatopause – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Somatopause bezeichnet den altersbedingten Rückgang der Sekretion von Wachstumshormon (STH, Somatotropin) und die daraus resultierenden physiologischen Veränderungen. Der Prozess beginnt bereits ab dem 24. Lebensjahr und führt zu einem exponentiellen Abfall der STH-Sekretion mit zunehmendem Alter. Die Hauptmechanismen des Hormonabfalls liegen in einer Dysregulation der Hypothalamus-Hypophysen-Achse, die die Wachstumshormonproduktion steuert.

Mechanismen des Hormonabfalls

  • Abnahme der GHRH-Sekretion: Das Growth-Hormone-Releasing-Hormon (GHRH), das im Hypothalamus produziert wird, stimuliert die Freisetzung von Wachstumshormon im Hypophysenvorderlappen. Im Alter nimmt die Freisetzung von GHRH ab, was zu einer reduzierten Stimulation der Hypophyse und somit zu einer geringeren Produktion von Wachstumshormon führt.
  • Erhöhung des somatostatischen Tonus: Parallel zur abnehmenden GHRH-Sekretion nimmt der somatostatische Tonus zu, was bedeutet, dass die Ausschüttung von Somatostatin (auch als Somatotropin Release Inhibiting Hormone, SRIH, bekannt) zunimmt. Somatostatin hemmt die Freisetzung von STH in der Hypophyse und trägt entscheidend zum altersbedingten Rückgang des Wachstumshormons bei.
  • Veränderungen im IGF-1-Feedback-Mechanismus: Insulin-like Growth Factor 1 (IGF-1), das größtenteils in der Leber produziert wird, vermittelt die Wirkungen von Wachstumshormon. IGF-1 übt einen negativen Rückkopplungseffekt auf die Hypothalamus-Hypophysen-Achse aus, indem es die Freisetzung von GHRH hemmt und Somatostatin verstärkt. Mit zunehmendem Alter sinken die IGF-1-Spiegel, was den Feedback-Mechanismus stört und die periphere Wirkung von Wachstumshormon beeinträchtigt.

Pathophysiologische Konsequenzen

  • Muskelmasse und Körperzusammensetzung: Der Rückgang des STH-Spiegels führt zu einem Verlust an fettfreier Körpermasse, insbesondere der Muskelmasse, und einer Zunahme des viszeralen Fettgewebes. Diese Veränderungen beeinflussen die allgemeine Körperzusammensetzung und erhöhen das Risiko für metabolische Erkrankungen.
  • Knochenstoffwechsel: Wachstumshormon und IGF-1 spielen eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der Knochenmineraldichte. Der Rückgang dieser Hormone im Alter führt zu einer Abnahme der Knochendichte (Osteopenie) und erhöht das Risiko für Osteoporose und Frakturen.
  • Fettstoffwechsel: STH fördert die Lipolyse (Fettabbau) in den Adipozyten, wodurch Fettsäuren als Energieträger mobilisiert werden. Der STH-Abfall führt zu einer reduzierten Lipolyse und damit zu einer Zunahme des viszeralen Fetts. Dies begünstigt die Entwicklung von Adipositas und metabolischen Erkrankungen, insbesondere des metabolischen Syndroms, das durch Insulinresistenz (verringerte Antwort auf Insulin) und Dyslipidämie (Fettstoffwechselstörung) charakterisiert ist.
  • Kohlenhydratstoffwechsel: Im Kohlenhydratstoffwechsel wirkt STH antagonistisch zu Insulin, indem es die Glukoseaufnahme hemmt und die Glukoneogenese in der Leber fördert. Der STH-Abfall führt zunächst zu einer erhöhten Insulinsensitivität, doch die vermehrte Fettansammlung fördert die Entwicklung einer Insulinresistenz, was langfristig das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöht.
  • Herz-Kreislauf-System: STH und IGF-1 beeinflussen die Herzfunktion und den vaskulären Tonus. Ein Rückgang dieser Hormone ist mit einer verminderten kardialen Leistungsfähigkeit und einer erhöhten Neigung zu atherosklerotischen Veränderungen assoziiert, was das kardiovaskuläre Risiko im Alter erhöht.

Schlussfolgerung

Die Somatopause ist das Ergebnis einer komplexen hormonellen Dysregulation, die in der Hypothalamus-Hypophysen-Achse beginnt und weitreichende Auswirkungen auf verschiedene Organsysteme hat. Der schrittweise Rückgang von STH und IGF-1 beeinflusst die Körperzusammensetzung, den Glukosestoffwechsel und die kardiovaskuläre Gesundheit, was das Risiko für eine Vielzahl von altersbedingten Erkrankungen erhöht.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung
    • Genetische Erkrankungen
      • Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang mit vermehrter Ablagerung von Eisen als Folge einer erhöhten Eisenkonzentration im Blut mit Gewebeschädigung 
  • Lebensalter – altersbedingter, exponentieller Abfall der STH-Sekretion ca. ab dem 24. Lebensjahr

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Übermäßige Fett- und Kohlenhydratzufuhr mit damit verbundener Erhöhung der Blutlipide (Blutfettwerte)
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol – (Frau: > 20 g/Tag; Mann: > 30 g/Tag)
  • Körperliche Aktivität
    • Bewegungsmangel 
  • Psycho-soziale Situation
    • Angst
    • Emotionale Störungen
    • Stress – akuter Stress stimuliert das Wachstumshormon; chronischer Stress (Dauerstress) dagegen führt zur Suppression (Unterdrückung)
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) – insbesondere bei androider Körperfettverteilung
  • Androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp) – es liegt ein hoher Taillenumfang bzw. ein erhöhter Taille-Hüft-Quotient (THQ; englisch: waist-to-hip-ratio (WHR)) vor
    Bei der Messung des Taillenumfangs gemäß der Richtlinie der International Diabetes Federation (IDF, 2005) gelten folgende Normwerte:
    • Männer < 94 cm
    • Frauen < 80 cm
    Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft veröffentlichte 2006 etwas moderatere Zahlen für den Taillenumfang: < 102 cm bei Männern und < 88 cm bei Frauen.

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Diabetes mellitus – geht mit Hyperglykämie einher, welches die Wachstumshormonproduktion hemmt
  • Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit)
  • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
  • Hypophysen-Unterfunktion, z. B. durch Kraniopharyngiom oder Sheehan-Syndrom
  • Insomnie (Schlafstörungen)
  • Lebererkrankungen – Steatosis hepatis (Fettleber), Leberfibrose, Zustand nach Hepatitis
  • Nebennieren-Überfunktion (Cortisol supprimiert das Wachstumshormon)
  • Resistenz der Leber gegenüber Somatotropes Hormon (STH), die sich ihrerseits in erniedrigten Konzentrationen der zirkulierenden IGFs (insulin-like growth factor) äußert 

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Hyperglykämie – hemmt die Wachstumshormonproduktion, z. B. bei Diabetes mellitus
  • Hyperinsulinämie
  • Mangel an Steroidhormonen (adrenale und ovarielle Steroidhormone), insbesondere Androgenen (z. B. Andropause)
  • Hypertriglyzeridämie – vermehrter Abbau der Triglyceride zu freien Fettsäuren (FA) und Glycerol → Suppression der Sekretion des Wachstumshormons (Synonyme: somatotropes Hormon (STH), Somatotropin) als Feedback-Reaktion durch die freien Fettsäuren (FFS)

Medikamente mit STH-hemmender Wirkung: 

  • Aminophyllin, Theophylline 
  • Bromocriptin 
  • Chlorpromazin
  • Corticosteroide
  • Cyproheptadin
  • Ergotamin-Alkaloide
  • Morphin, Apomorphin
  • Methysergid
  • Phenoxybenzamin
  • Phentolamin 
  • Reserpin
  • Tolazolin