Turner-Syndrom – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Das Turner-Syndrom ist eine Chromosomenanomalie, die vor allem Frauen betrifft und durch das vollständige oder teilweise Fehlen eines X-Chromosoms gekennzeichnet ist. Es handelt sich um eine numerische Chromosomenaberration, die während der Meiose, also der Reifeteilung der Keimzellen, entsteht.

Chromosomenanomalien

Der Mensch besitzt normalerweise 46 Chromosomen, wobei 44 Autosomen und 2 Geschlechtschromosomen (XX bei Frauen, XY bei Männern) vorliegen. Beim Turner-Syndrom kommt es jedoch zu einer fehlerhaften Verteilung der Geschlechtschromosomen.

  • Karyotyp 45,X (Monosomie X)
    • Bei mehr als 50 % der Patientinnen mit Turner-Syndrom fehlt ein komplettes X-Chromosom in allen Körperzellen. Dies führt zu einem Karyotyp von 45,X anstelle der normalen 46 Chromosomen (ICD-10-GM Q96.0). Die betroffenen Zellen enthalten also nur ein Geschlechtschromosom (ein X), was zu den typischen Merkmalen und Symptomen des Turner-Syndroms führt.
  • Strukturelle Abweichungen des X-Chromosoms
    • In 30-40 % der Fälle sind zwar 46 Chromosomen vorhanden, jedoch weist eines der X-Chromosomen strukturelle Anomalien auf, wie etwa das Vorliegen eines Isochromosoms (isochromosome Xq) oder eine Deletion bestimmter Abschnitte des X-Chromosoms (ICD-10-GM Q96.1 und Q96.2). Solche strukturellen Veränderungen können die Funktion des Chromosoms beeinträchtigen und zu den klinischen Manifestationen des Syndroms beitragen.
  • Mosaikform (Mosaik-Turner-Syndrom)
    • Bei 10-20 % der Fälle handelt es sich um eine Mosaikform, bei der einige Körperzellen 46 Chromosomen mit einer normalen XX- oder XY-Konstellation haben, während andere Zellen nur 45 Chromosomen besitzen (45,X) (ICD-10-GM Q96.3). In solchen Fällen ist das Turner-Syndrom oft milder ausgeprägt, da die genetische Anomalie nur in einem Teil der Zellen vorhanden ist.
  • Seltene Formen mit komplexen Gonosomenanomalien
    • In seltenen Fällen bestehen Mosaikformen, bei denen zusätzlich zu den 45,X-Zellen noch komplexe Gonosomenanomalien vorliegen (ICD-10-GM Q96.4). Solche Anomalien sind häufig schwer zu identifizieren und können die phänotypische Ausprägung der Erkrankung weiter beeinflussen.

Pathophysiologische Folgen des X-Chromosom-Verlustes

Der Verlust eines X-Chromosoms führt zu einem Defizit an X-chromosomal kodierten Genen, die für die normale Entwicklung notwendig sind. Da Frauen normalerweise zwei X-Chromosomen haben, kommt es bei Turner-Patientinnen zu einem Ungleichgewicht in der Genexpression, was zahlreiche Entwicklungsstörungen hervorruft.

  • Gonadale Dysgenese: Eine der häufigsten Manifestationen ist die fehlende oder unzureichende Entwicklung der Ovarien/Eierstöcke (Gonadendysgenese), was zu einer primären Amenorrhoe und Unfruchtbarkeit führt.
  • Kleinwuchs: Ein weiteres charakteristisches Merkmal des Turner-Syndroms ist der Kleinwuchs, bedingt durch das Fehlen von wachstumsregulierenden Genen, die auf dem X-Chromosom liegen.
  • Herzfehler: Patienten können strukturelle Herzfehler, wie etwa Aortenisthmusstenosen, aufweisen.
  • Nierenanomalien: Weitere häufige Befunde sind Nierenfehlbildungen und Lymphödeme.

Fetalentwicklung und pränatale Verluste

Das Turner-Syndrom ist eine der häufigsten Ursachen für Fehlgeburten. Schätzungen zufolge enden etwa 99 % der Schwangerschaften mit einem 45,X-Karyotyp in einer Fehlgeburt, meist im ersten Trimenon. Nur wenige Föten mit dieser Chromosomenanomalie überleben bis zur Geburt.

Zusammenfassend lässt sich die Pathogenese des Turner-Syndroms auf den Verlust oder die strukturelle Anomalie eines X-Chromosoms zurückführen, was zu einem Defizit an X-chromosomal kodierten Genen führt. Die genotypischen Veränderungen verursachen eine Vielzahl von phänotypischen Manifestationen, die das klinische Bild der Erkrankung prägen.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Spontanmutationen
    • Vollständiges Fehlen eines X-Chromosoms
    • Strukturelle Veränderung eines X-Chromosoms
    • Mosaikveränderungen beider oder eines X-Chromosoms