Turner-Syndrom – Operative Therapie
Das Turner-Syndrom ist eine chromosomale Erkrankung, die durch das vollständige oder partielle Fehlen eines zweiten Geschlechtschromosoms gekennzeichnet ist. Bei der Mosaikvariante 45,X/46,XY sind einige Zellen 45,X (fehlt ein Geschlechtschromosom), während andere 46,XY oder 46,XX sind.
Streak-Gonaden und Ovarialdysgenesie
- Definition: Streak-Gonaden sind bindegewebige Stränge anstelle funktionsfähiger Ovarien (Eierstöcke).
- Hormonelle Konsequenz:
- Kaum bis keine Östrogensynthese (z. B. 17-Beta-Östradiol).
- Ausbleiben der Menstruation (primäre Amenorrhoe).
- Fehlende oder unvollständige pubertäre Entwicklung ohne Östrogensubstitution.
- Gonadendysgenesie: Aufgrund der unvollständigen Entwicklung der Keimdrüsen kann die Fertilität stark eingeschränkt oder nicht vorhanden sein.
Malignes Risiko: Gonadoblastom bei Vorliegen eines Y-Chromosoms
- Das Vorhandensein eines Y-Chromosoms erhöht das Risiko eines Gonadoblastoms signifikant.
- Gonadoblastome sind seltene, oft hormonproduzierende Keimzelltumoren, die aus dysgenetischen Gonaden entstehen können.
- Die maligne Transformation kann zu einem invasiven Dysgerminom (Keimzelltumor) führen.
- Tumorrisiko: Studien zeigen eine Tumorentwicklung in bis zu 30 % der Fälle, wenn dysgenetische Gonaden mit Y-Chromosomenmaterial belassen werden [1].
Chirurgische Therapie: Laparoskopische Gonadektomie
- Indikation:
- Präventive Entfernung der Streak-Gonaden bei Vorliegen eines Y-Chromosoms oder Y-Chromosomenmaterial (z. B. SRY-Gen-Nachweis).
- Empfohlen zu Beginn der Pubertät, um das Gonadoblastom-Risiko zu minimieren.
- Vorgehen:
- Laparoskopische Gonadektomie (minimal-invasive Entfernung der Gonaden per Bauchspiegelung).
- Histopathologische Untersuchung/feingewebliche Untersuchung der entfernten Gonaden zur Beurteilung einer möglichen Neoplasie (Tumorbildung).
- Alternative Zeitpunkte der Gonadektomie:
- Frühzeitige Gonadektomie (im Kindesalter): Vorteilhaft bei sicherer Diagnose, um mögliche Tumorrisiken zu eliminieren.
- Spätere Gonadektomie (adoleszentes Alter): Falls die individuelle Geschlechtsentwicklung abgewartet werden soll.
Hormonelle Substitution nach Gonadektomie
- Nach Entfernung der Streak-Gonaden ist eine lebenslange Hormonersatztherapie (HRT) notwendig.
- Ziel der HRT:
- Förderung der pubertären Entwicklung (Brustwachstum, Menstruation).
- Erhalt der Knochenmineraldichte, um Osteoporose zu verhindern.
- Verbesserung der kardiovaskulären Gesundheit.
- Therapieoptionen:
- Östrogen-Monotherapie in der frühen Pubertät (z. B. 17-Beta-Östradiol).
- Spätere Kombination mit Gestagenen (zyklisch), um eine normale menstruelle Hormonregulation zu simulieren.
Fertilität und assistierte Reproduktion
- Die Spontanfertilität ist in den meisten Fällen nicht vorhanden.
- Optionen der assistierten Reproduktion:
- Eizellspende mit assistierter Fertilisation (IVF).
- Uterustransplantation als experimentelle Therapieoption.
- Fruchtbarkeitsprognose abhängig vom Vorhandensein funktionsfähiger Ovarreste.
Zusammenfassung der therapeutischen Strategie bei Mosaik 45,X/46,XY mit Streak-Gonaden
Therapieoption | Indikation | Bemerkung |
---|---|---|
Laparoskopische Gonadektomie | Nachweis eines Y-Chromosoms | Prävention eines Gonadoblastoms |
Hormonelle Substitutionstherapie (HRT) | Nach Gonadektomie | Förderung der pubertären Entwicklung |
Assistierte Reproduktion (IVF, Eizellspende) | Kinderwunsch | Fertilität oft nicht vorhanden |
Frühe Entfernung der Gonaden (Kindesalter) | Hochrisiko für Gonadoblastome | Sicherste Tumorprävention |
Spätere Entfernung (Pubertät) | Berücksichtigung der Geschlechtsentwicklung | Individuelle Entscheidung erforderlich |
Die laparoskopische Gonadektomie ist die empfohlene Therapie, wenn Y-Chromosomenmaterial vorhanden ist, um das Risiko einer malignen Entartung zu verhindern. Eine Hormontherapie ist postoperativ essenziell, um die normale pubertäre Entwicklung und langfristige Gesundheit zu gewährleisten.
Literatur
- Mandelberger A et al.: Laparoscopic Removal of Streak Gonads in Turner Syndrome. J Minim Invasive Gynecol. 2016 Nov, Dec; 23 (7):1025. doi: 10.1016/j.jmig.2016.04.005. Epub 2016 May 16