Schulterläsionen – Operative Therapie
Schulterläsionen (Schädigungen der Schulterstrukturen) erfordern je nach Art und Ausmaß der Schädigung eine operative Therapie. Ziel der chirurgischen Intervention ist die Wiederherstellung der Schulterfunktion und die Schmerzreduktion.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Symptomatische Rotatorenmanschettenruptur (Riss der Sehnenkappe der Schulter) mit Funktionsverlust und persistierenden Schmerzen trotz konservativer Therapie
- Chronische Kalkschulter (Tendinosis calcarea, schmerzhafte Kalkablagerung in den Schultersehnen) mit therapieresistenter Symptomatik
- Schulterinstabilität (vermehrte Verrenkungen oder Lockerung der Schulter) bei rezidivierenden Luxationen (wiederholtem Ausrenken) oder labralen Defekten (Schädigung des knorpeligen Pfannenrands)
- Schulterarthrose (Omarthrose, Gelenkverschleiß der Schulter) bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen
- Sehnenpathologien (Erkrankungen der Schultersehnen) mit erheblicher Funktionseinschränkung und struktureller Progression
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Schwere systemische Erkrankungen (schwerwiegende Allgemeinerkrankungen), die das Operationsrisiko erheblich erhöhen
- Ausgeprägte Muskelatrophie (Rückbildung der Muskeln) oder irreparabler Sehnendefekt (nicht wiederherstellbarer Sehnenriss), der keine Rekonstruktion mehr zulässt
- Infektionen (bakterielle Entzündungen) im Operationsgebiet
- Mangelnde postoperative Compliance (fehlende Mitwirkung nach der Operation), z. B. durch schwere kognitive Einschränkungen oder mangelnde Rehabilitationsmöglichkeiten
Operationsverfahren
Je nach Art der Schulterläsion stehen verschiedene operative Techniken zur Verfügung:
- Arthroskopische oder offene Rotatorenmanschettennaht (minimal-invasiver oder offener Nahtverschluss der Sehnenkappe der Schulter)
- Indikation: Teilrupturen (Teilrisse) oder kleine komplette Rupturen der Rotatorenmanschette (Sehnenkappe)
- Ziel: Anatomische Rekonstruktion zur Wiederherstellung der Kraft- und Funktionsfähigkeit
- Offene Rotatorenmanschettennaht mit oder ohne Akromioplastik (Sehnennaht mit oder ohne Abtragung eines Knochensporns am Schulterdach)
- Indikation: Größere Rupturen mit funktioneller Beeinträchtigung
- Ziel: Stabilisierung und Rekonstruktion der Sehnenstruktur mit ggf. Erweiterung des subakromialen Raums (Raum unter dem Schulterdach)
- Partialrekonstruktion oder Muskelschwenklappenplastik (Teilweise Wiederherstellung der Sehnen oder Muskelverschiebung zur Defektdeckung)
- Indikation: Nicht anatomisch rekonstruierbare Rotatorenmanschettenrupturen (nicht wiederherstellbare Sehnenrisse)
- Ziel: Funktionelle Verbesserung und Schmerzreduktion bei irreparablen Defekten
- Arthroskopische Entfernung von Kalkablagerungen (Entfernung von Kalkansammlungen in den Schultersehnen mittels Gelenkspiegelung)
- Indikation: Tendinosis calcarea (Kalkschulter) mit therapierefraktären (behandlungsresistenten) Schmerzen
- Ziel: Reduktion der mechanischen Irritation und Entlastung der Sehnenstruktur
- Schulterprothese (Teil- oder Totalendoprothese, künstliches Schultergelenk)
- Indikation: Fortgeschrittene Omarthrose (Schultergelenkverschleiß) oder massive Defekte der Rotatorenmanschette
- Ziel: Wiederherstellung der Beweglichkeit und Schmerzreduktion
Postoperative Nachsorge
- Immobilisation (Ruhigstellung) der Schulter in einer Schlinge für 4-6 Wochen (je nach Operationsverfahren)
- Physiotherapie (krankengymnastische Übungen) zur schrittweisen Mobilisation und Kräftigung der Muskulatur
- Schmerzmanagement (Schmerztherapie) mit NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika, entzündungshemmende Schmerzmittel) oder selektiven COX-2-Hemmern (spezielle Schmerzmedikamente mit weniger Magen-Darm-Nebenwirkungen)
- Vermeidung von Überkopftätigkeiten und abrupten Rotationsbewegungen in den ersten Wochen
- Verlaufskontrolle mittels klinischer Untersuchung und ggf. Bildgebung (Röntgen oder Magnetresonanztomographie, MRT)
Mögliche Komplikationen
- Postoperative Schultersteife (Frozen Shoulder, schmerzhafte Bewegungseinschränkung nach der OP)
- Persistierende Schmerzen (anhaltende Schmerzen) oder unzureichende Funktionserholung
- Sehneninsuffizienz (unzureichende Heilung der Sehne) oder erneute Ruptur (erneuter Riss)
- Infektionen und Wundheilungsstörungen (bakterielle Entzündung oder verzögerte Wundheilung)
- Subakromiale Impingement-Symptomatik (Einklemmung der Sehne unter dem Schulterdach nach der OP)
Vergleich der Operationsmethoden
Verfahren | Indikation | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Arthroskopische Rotatorenmanschettennaht | Teilrupturen, kleine komplette Rupturen | Minimal-invasiv, geringere Narbenbildung | Längere Rehabilitationsdauer bei komplexen Defekten |
Offene Rotatorenmanschettennaht mit Akromioplastik | Größere Rupturen | Direkte Sichtkontrolle, verbesserte Sehnenfixation | Längere Heilungszeit, größerer postoperativer Schmerz |
Partialrekonstruktion | Nicht rekonstruierbare Rupturen | Verbesserung der Funktion | Keine vollständige Wiederherstellung der Schultermechanik |
Schulterprothese | Omarthrose, massive Defekte | Schmerzreduktion, Wiederherstellung der Beweglichkeit | Endoprothesenverschleiß, Revisionsoperationen nötig |
Weitere Hinweise
- Nach einer Rotatorenmanschetten-Operation erfolgt eine vier- bis sechswöchige Ruhigstellung des Arms mittels einer Armschlinge.
In einer kleinen Studie mit relativ kurzer Nachbeobachtungszeit zeigte sich ein halbes Jahr später, dass bei postoperativen Verzicht auf eine Armschlinge (= schlingenfreie Reha) die Beweglichkeit größer war und die Schmerzen etwas geringer waren [2]. - Bei Patienten mit kleiner bis mittelgroßer Rotatorenmanschettenruptur sind die 10-Jahres-Ergebnisse für primär operierte Patienten signifikant besser als bei Patienten mit ausschließlicher Physiotherapie [3].
- Gemäß einer Studie haben Schulterblatt-Operationen (Schulterblatt-Erweiterung; engl. arthroscopic sub-acromial decompression) wg. subakromialen Schulterschmerzen (engl. subacromial shoulder pain, CSAW) keinen klinisch bedeutenden Vorteil gegenüber dem Verzicht auf eine Behandlung [1].
Fazit: Erst nach Monaten erfolgloser konservativer Therapie ist in solchen Fällen eine Operation zu diskutieren.
Fazit
Die operative Therapie der Schulterläsionen ist vielfältig und richtet sich nach der jeweiligen Pathologie (Erkrankung). Während arthroskopische Verfahren (Gelenkspiegelungen) minimal-invasive Vorteile bieten, sind offene Verfahren oft bei komplexen Defekten notwendig. Eine individuelle Abwägung zwischen konservativer Therapie und chirurgischer Intervention ist essenziell, um eine optimale Schulterfunktion und Schmerzreduktion zu erreichen.
Literatur
- Beard DJ et al.: Arthroscopic subacromial decompression for subacromial shoulder pain (CSAW): a multicentre, pragmatic, parallel group, placebo-controlled, three-group, randomised surgical trial. The Lancet Published: 20 November 2017 doi: http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(17)32457-1
- Tirefort J et al.: Postoperative Mobilization After Superior Rotator Cuff Repair: Sling Versus No Sling: A Randomized Prospective Study. J Bone Joint Surg Am. 2019 Mar 20;101(6):494-503. doi: 10.2106/JBJS.18.00773.
- Moosmayer S et al.: At a 10-Year Follow-up, Tendon Repair Is Superior to Physiotherapy in the Treatment of Small and Medium-Sized Rotator Cuff Tears. J Bone Joint Surg Am 2019; 101: 1050-60