Lymphödem – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Ein Lymphödem entsteht durch eine Störung des Lymphabflusses, die entweder angeboren (primäres Lymphödem) oder im Laufe des Lebens erworben (sekundäres Lymphödem) sein kann. Die zugrunde liegende Pathophysiologie führt zu einer Ansammlung von interstitieller Gewebsflüssigkeit im Zwischenzellraum (Interstitium), da die Lymphbahnen nicht mehr in der Lage sind, Flüssigkeiten und Proteine effektiv zu transportieren.

Mechanismen der Entstehung
  • Primäres Lymphödem
    • Dies ist meist angeboren und beruht auf genetisch bedingten Anomalien des Lymphgefäßsystems, wie einer reduzierten Anzahl oder Fehlbildung von Lymphgefäßen.
    • Beispiele für primäre Lymphödeme sind das Milroy-Syndrom (angeboren) oder das Lymphödem praecox (tritt oft in der Pubertät auf).
  • Sekundäres Lymphödem
    • Ein erworbenes Lymphödem, das infolge von Schädigungen des Lymphsystems durch äußere Faktoren auftritt. Häufige Ursachen sind:
      • Operationen (z. B. Entfernung von Lymphknoten bei Brustkrebs),
      • Bestrahlung (Schädigung der Lymphbahnen bei Radiatio/Strahlentherapie),
      • Traumata oder Infektionen (z. B. durch Filariose),
      • Tumoren (Kompression oder Infiltration der Lymphbahnen).

Folgen der Lymphstauung

Die eingeschränkte Lymphdrainage führt zu einer Akkumulation von Lymphflüssigkeit im Gewebe. In den betroffenen Bereichen kommt es zunächst zu einer Flüssigkeitsansammlung, die im fortgeschrittenen Stadium zu chronischen Gewebsveränderungen führt:

  • Binde- und Fettgewebsvermehrung: Durch die anhaltende Lymphstauung wird das Gewebe zunehmend fibrotisch und es kommt zu einer Vermehrung von Bindegewebe.
  • Extrazelluläre Matrix-Veränderungen: Komponenten der extrazellulären Matrix (wie Glykosaminoglykane, Kollagen, und Hyaluronsäure) reichern sich im Gewebe an, was zu einer weiteren Verdickung und Verhärtung des Gewebes führt.
  • Entzündungsreaktionen: Wiederholte Entzündungen können das Gewebe zusätzlich schädigen und das Fortschreiten der Fibrose begünstigen.

Im Endstadium kann das Lymphödem zu einer deutlichen Verhärtung und Verdickung der betroffenen Extremitäten führen, was zu einer eingeschränkten Mobilität und weiteren Komplikationen wie Infektionen (z. B. Erysipel) führt.

Ätiologie (Ursachen) des primären Lymphödems

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern
    • Genetische Erkrankungen
      • Nonne-Milroy-Syndrom (primäre, kongenitale Lymphödem (PCL) Typ I) – genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang mit Mutationen im FLT4-Gen auf Chromosom 5q35.3; chronisches, schmerzloses Lymphödem der unteren und in seltenen Fällen auch oberen Extremitäten; Ödeme (Wassereinlagerungen) bestehen meistens bereits bei Geburt oder manifestieren sich in den ersten Lebensmonaten 

Krankheitsbedingte Ursachen

Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)

  • Atresie/Aplasie (Fehl-/Nichtentwicklung) des Lymphsystems
  • Meige-Syndrom (Lymphoedema praecox) – charakteristisch ist die Kombination von Blepharospasmus (ein- oder beidseitiger Lidkrampf, der durch eine Dauerkontraktion des Musculus orbicularis oculi entsteht) und oromandibulärer Dystonie (Oberbegriff für dystone Bewegungen der Kaumuskulatur und der Muskulatur der unteren (kaudalen) Gesichtshälfte);  Ödeme (Wassereinlagerungen) bilden sich erst nach der Pubertät aus
    Bei einzelnen Milroy- und Meige-Patienten entwickeln sich die Schwellungen allerdings erst nach dem 35. Lebensjahr (Lymphoedema tarda).

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Aplasie/Atresie des Lymphsystems
  • Hyperplasie des Lymphsystems ‒ abnorme Vermehrung von Lymphsystem-spezifischen Zellen
  • Hypoplasie des Lymphsystems ‒ Unterentwicklung des Lymphsystems
  • Lymphknotenfibrose ‒ Verhärtung der Lymphknoten
  • Lymphknoten-Agenesie

Ätiologie (Ursachen) des sekundären Lymphödems

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)

Krankheitsbedingte Ursachen

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Chronische venöse Insuffizienz (CVI) ‒ chronische Venenschwäche der unteren Extremitäten
  • Kapillaropathien ‒ Veränderungen der Gefäßendstrecken, die bei diversen Erkrankungen auftreten
  • Lymphknotenfibrose ‒ Verhärtung der Lymphknoten

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Parasitosen ‒ Infektionen mit Parasiten; führen zur Elephantiasis
  • Zustand nach Infektionen (postinfektiös), wie das Erysipel oder rezidivierende Thrombophlebitiden ‒ Entzündung von oberflächlichen Venen

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Morbus Crohn ‒ chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED); verläuft meist in Schüben und kann den gesamten Verdauungstrakt befallen; charakterisierend ist der segmentale Befall der Darmmukosa (Darmschleimhaut), das heißt es können mehrere Darmabschnitte befallen sein, die durch gesunde Abschnitte voneinander voneinander getrennt sind.

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Maligne (bösartige) Neubildungen, häufig beim Mammakarzinom (Brustkrebs; postoperatives Lymphödem)

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Zustand nach größeren chirurgischen Eingriffen
  • Zustand nach Verletzungen (posttraumatisch), nicht näher bezeichnet

Operationen

  • Zustand nach Lymphadenektomie (Lymphknotenentfernung)
  • Zustand nach Venenentnahme zur Bypasschirurgie

Strahlentherapie

  • Zustand nach Radiatio (Strahlentherapie) – insbesondere bei Bestrahlung regionäre Lymphknoten

Weitere Ursachen

  • Artifiziell (künstlich zugefügt)