Anaphylaktischer Schock – Prävention

Vermeidung von Faktoren, die eine Anaphylaxie verstärken bzw. bei Zusammentreffen mehrerer dieser Faktoren eine Anaphylaxie auslösen können (= Augmentationsfaktoren):

  • Vermeidung von Augmentationsfaktoren – Augmentationsfaktoren sind Faktoren, die das Risiko für das Auftreten eines anaphylaktischen Schocks erhöhen. Zu diesen gehören:
    • Alkoholkonsum – Alkohol kann die Freisetzung von Histamin fördern und die Schwelle für eine anaphylaktische Reaktion senken.
    • Körperliche Belastung – Sportliche Aktivitäten oder körperliche Anstrengung können eine Anaphylaxie begünstigen.
    • Psychogene Faktoren (z. B. Stress) – Stresssituationen können das Risiko für eine anaphylaktische Reaktion erhöhen.
    • Infektionen – Akute Infektionen können die Anfälligkeit für anaphylaktische Reaktionen verstärken.
  • Allergenkarenz – Vermeidung bekannter Allergene, die bei dem Betroffenen bereits eine anaphylaktische Reaktion ausgelöst haben.
    • Nahrungsmittelallergien – Häufige Auslöser sind Erdnüsse, Baumnüsse, Milch, Eier, Fisch, Meeresfrüchte, Soja und Weizen.
    • Medikamente – Antibiotika, NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) und Kontrastmittel.
    • Insektengifte – Bienen- oder Wespenstiche können besonders gefährlich sein.

Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)

Zur Prävention des anaphylaktischen Schocks muss auf eine Minimierung individueller Risikofaktoren geachtet werden.

  • Ernährung:
    • Vermeidung allergener Nahrungsmittel bei bekannter Sensibilisierung.
    • Einführung allergenarmer Beikost ab dem 5. Lebensmonat zur Förderung der Toleranzentwicklung.
  • Genussmittelkonsum:
    • Verzicht auf Alkohol – Alkohol kann die Histaminfreisetzung verstärken.
    • Vermeidung von Tabakrauch – Tabakrauch begünstigt entzündliche Prozesse und kann allergische Reaktionen fördern.
  • Körperliche Aktivität:
    • Moderate körperliche Aktivität kann das Immunsystem stärken.
    • Vermeidung von Sport unmittelbar nach dem Verzehr allergener Lebensmittel.
  • Psycho-soziale Situation:
    • Reduktion von Stress und psychischer Belastung durch Entspannungstechniken.
    • Förderung eines stabilen psychosozialen Umfelds zur Verringerung von Stressoren.
  • Schlafqualität:
    • Ausreichender und erholsamer Schlaf trägt zur Stabilisierung des Immunsystems bei.

Sekundärprävention einer Anaphylaxie

  • Früherkennung und Diagnostik:

    • Hautpricktest und serologische Tests zur Identifikation spezifischer Allergene.
    • Erhebung der Anamnese zur Feststellung vorangegangener anaphylaktischer Reaktionen.
  • Adrenalin-Autoinjektor (AAI; Adrenalin-Fertigspritzen); aktiver Wirkstoff: Epinephrinhydrochlorid (0.36 mg pro 0.3 Milliliter) = Epinephrin (0.3 mg pro 0.3 Milliliter), i.m. (intramuskulär, d. h. in den Muskel hinein; Außenseite des Oberschenkels; schnellerer Wirkungseintritt: Injektion in den M. deltoideus/Deltamuskel, kräftiger Muskel des Schultergelenks)
    Adrenalin-Dosierungen in Abhängigkeit vom Körpergewicht sowie vom klinischen Zustand und unter Berücksichtigung individueller Risikofaktoren [2]:
    • 15-30 kg Körpergewicht (KG): 0,15 mg Adrenalin [150 μg]
    • > 30-60 kg KG: 0,3 mg [300 μg]
    • > 60 kg KG: 0,3-0,6 mg [1-2 x 300 μg oder 500 μg] 
    Die ERC-Leitlinie sowie die Anaphylaxie-Leitlinie des UK Resuscitation Council empfehlen folgende intramuskuläre Adrenalin-Dosierungen [3, 4]:
    • < 6 Monate 0,15 mg Adrenalin i. m.
    • > 6 Monate bis 6 Jahre 0,15 mg i. m.
    • > 6-12 Jahre 0,3 mg i. m.
    • > 12 Jahre und Erwachsene 0,5 mg i. m.

In eckigen Klammern [] Angaben gemäß S2k-Leitlinie

Weitere Hinweise

  • Die intramuskuläre Adrenalin-Injektion ist der intravenösen vorzuziehen.
  • Bei der i.m. Injektion in den
    • M. vastus lateralis (Oberschenkel): Nadellänge: ≥ 20 mm 
    • M. deltoideus:
      • Männer Nadellänge: 25 mm
      • Frauen
        • Frauen bis 60 kg KG: Nadellänge: 16 mm
        • Frauen 60-90 kg KG: Nadellänge: 25 mm
  • Häufigster Trigger für eine Anaphylaxie (Schock infolge einer schweren allergischen Reaktion) ist eine Nahrungsmittelallergie.
  • Für eine erneute anaphylaktische Episode war die Wahrscheinlichkeit besonders hoch bei Asthmatikern (Hazard Ratio, HR 1,94), wenn bei der Versorgung der ersten Anaphylaxie Adrenalin verabreicht wurde (HR 2,22) und wenn der Trigger ein Nahrungsmittel war (HR 11,44) [1].

Medizinische Indikationen für die Verordnung eines 2. Adrenalin-Autoinjektors [S2k-Leitlinie]

  • Extrem schwere Anaphylaxien in der Anamnese
  • Besonders hohes Risiko für eine schwere anaphylaktische Reaktion, beispielsweise Erwachsene mit einer Mastozytose nach einer Anaphylaxie
  • Adipositas, Körpergewicht > 100 kg
  • Unkontrolliertes Asthma bronchiale
  • Eingeschränkte Erreichbarkeit der nächstgelegenen notfallmedizinischen Einrichtung
  • Organisatorisch: für Kinderbetreuungsstätte/Schule sowie gemäß familiärer Situation

Tertiärprävention

Die Tertiärprävention zielt darauf ab, wiederkehrende anaphylaktische Episoden zu vermeiden und die Lebensqualität der Betroffenen langfristig zu sichern.

  • Langzeittherapie:
    • Regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Medikation.
    • Hyposensibilisierung (spezifische Immuntherapie) bei Allergien gegen Insektengifte.
  • Rehabilitation und Nachsorge:
    • Nachsorgeuntersuchungen zur Überwachung des Gesundheitszustandes.
    • Anpassung des häuslichen Umfelds zur Minimierung von Allergenen.
  • Psychosoziale Unterstützung:
    • Psychologische Betreuung zur Bewältigung der Erkrankung.
    • Teilnahme an Selbsthilfegruppen für Allergiker.

Literatur

  1. O’Keefe A et al.: The Risk of Recurrent Anaphylaxis. JPEDS 2016; online 13. Oktober doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.jpeds.2016.09.028  
  2. Muraro et al.: Anaphylaxis: Guidelines from the European Academy of Allergy and Clinical Immunology, Allergy 2014 Aug;69(8):1026-45. doi: 10.1111/all.12437. Epub 2014 Jun 9.
  3. Soar J, Pumphrey R, Cant A, Clarke S, Corbett A, Dawson P, Ewan P, Foëx B, Gabbott D, Griffiths M, Hall J, Harper N, Jewkes F, Maconochie I, Mitchell S, Nasser S, Nolan J, Rylance G, Sheikh A, Unsworth DJ, Warrell D (2008) Emergency treatment of anaphylactic reactions – guidelines for healthcare providers. Resuscitation 77(2):157–169. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​resuscitation.​2008.​02.​001
  4. Truhlář A, Deakin CD, Soar J, Khalifa GEA, Alfonzo A, Bierens JJLM, Brattebø G, Brugger H, Dunning J, Hunyadi-Antičević S, Koster RW, Lockey DJ, Lott C, Paal P, Perkins GD, Sandroni C, Thies K‑C, Zideman DA, Nolan JP (2015) Kreislaufstillstand in besonderen Situationen. Notfall Rettungsmed 18(8):833–903. https://​doi.​org/​10.​1007/​s10049-015-0096-7

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Akuttherapie und Management der Anaphylaxie. (AWMF-Registernummer: 061-025), Januar 2021 Langfassung