Schlafstörungen (Insomnie) – Einleitung

Die International Classification of Sleep Disorders (ICSD) definiert Schlafstörungen, insbesondere Insomnie, als „Beschwerde ungenügenden Schlafes oder das Gefühl, sich nach der üblichen Schlafzeit nicht erholt zu fühlen.“ Im DSM-IV werden neben Ein- und Durchschlafstörungen auch der nicht erholsame Schlaf als Kriterien genannt. Insomnie stellt somit eine Abweichung vom gesunden Schlafverhalten dar.

Synonyme und ICD-10: Asomnie; atmungsbedingte Schlafstörung; chronische Schlafstörung; Durchschlafstörung; Dyssomnie; Einschlafstörung; exzessive Somnolenz; Hypersomnie; Insomnie (Schlafstörungen); Narkolepsie; Schlaflosigkeit; Sleep Initiation and Maintenance Disorders; ICD-10-GM G47.-: Schlafstörungen

Zur Definition der Insomnie siehe unter Klassifikation: "Diagnostische Kriterien der insomnischen Störung („insomnia disorder“) nach DSM-5 A".

Schlafparameter

  • Schlafdauer (Gesamtschlafepisode; engl.: sleep period time, SPT): Hängt vom Alter sowie der körperlichen und seelischen Verfassung ab. Säuglinge benötigen circa 16 Stunden, Kinder etwa 7 bis 12 Stunden und Erwachsene bis zu 8 Stunden Schlaf.
  • Einschlaflatenz (sleep latency, SL): Zeit zwischen dem Löschen des Lichtes und dem Auftreten der ersten Schlafzeichen, sollte weniger als 30 Minuten betragen.
  • Wachliegezeit (engl.: wake after sleep onset, WASO): Summe der Wachzeit nach dem Einschlafen und vor dem endgültigen Erwachen, darf im höheren Lebensalter bis zu zwei Stunden betragen.

Formen der Insomnie

Insomnie kann in verschiedene Formen unterteilt werden:

  • Einschlafstörungen
  • Durchschlafstörungen
  • Übermäßiges Schlafen (Hypersomnie)
  • Schlafwandeln (Somnambulismus)
  • Albträume, Pavor nocturnus (Nachtschreck)
  • Restless sleep disorder (unruhiger Schlaf): Unruhige Schlafbewegungen großer Muskelgruppen des ganzen Körpers (alle vier Gliedmaßen, Arme, Beine oder den Kopf); diese treten während des Schlafes auf oder wenn die Person zu schlafen scheint.

*Beachte: Die Diagnose einer Insomnie erfordert das Vorhandensein von zwei Hauptkriterien: Schlafstörungen und damit verbundene Beeinträchtigung während des Tages [3].

Nach Verlauf

  • Akute Insomnie: Kann sich bei 21-47 % der Patienten zu einer chronischen Insomnie entwickeln.
  • Chronische Insomnie: Wird nach ICSD-3 diagnostiziert, wenn die Beschwerden über drei Monate lang dreimal pro Woche auftreten oder wenn kürzere Phasen über mehrere Jahre hinweg auftreten [4]. Verläuft häufig chronisch; ca. 70 % der Patienten mit Insomnie erfüllen auch ein Jahr später noch die diagnostischen Kriterien.
  • Dauerhafte Insomnie: Ca. 70 % der Patienten mit Insomnie erfüllen auch ein Jahr später noch die diagnostischen Kriterien.
  • Organische vs. nicht-organische Insomnie: Es sollte zwischen diesen Formen differenziert werden.

Ursachen der Insomnie

  • Psychiatrische Erkrankungen: In über 50 % der Fälle sind psychiatrische Erkrankungen (einschließlich Sucht) verantwortlich.
  • Neurologische Erkrankungen: Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems (z. B. Restless-Legs-Syndrom, RLS) können sekundäre Insomnie verursachen.

Eine Insomnie kann Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen"). 

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen sind mit zunehmendem Alter häufiger von Schlafstörungen betroffen als Männer.

Häufigkeitsgipfel

  • Pavor nocturnus (Nachtschreck): 56 % der Kinder erleben Pavor nocturnus einmal im Alter zwischen 1 ½ und 13 Jahren.
  • Somnambulismus (Schlafwandeln): Etwa jeder zehnte Zehnjährige wandelt im Schlaf.
  • Durchschlafstörungen: Die Tendenz zum nächtlichen Erwachen nimmt im Laufe des Alterns zu, da die Phasen des Tiefschlafs und die Schlaftiefe abnehmen.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • Pavor nocturnus: 56 %
  • Somnambulismus: 29,1 % [1]
  • Insomnie:
    • Allgemein: 10-50 % (in Deutschland)
    • Gelegentliche Insomnie: 25-30 %
    • Chronische Insomnie: 10-13 %
  • Insomnie in China:
    • Prävalenz bei jüngeren Menschen (≤ 43,7 Jahre): 20,4 %
    • Prävalenz bei Menschen älter als 43,7 Jahre: geringer [5]

Verlauf und Prognose

Verlauf

Akute Insomnie

  • Akute Insomnie tritt häufig in Zusammenhang mit stressigen Lebensereignissen auf, wie z. B. beruflichem Stress, Verlust eines geliebten Menschen oder anderen bedeutenden Lebensveränderungen.
  • Sie beginnt oft plötzlich und kann einige Tage bis Wochen anhalten.
  • Bei rechtzeitiger Intervention und Entfernung des auslösenden Faktors kann sich der Schlaf normalisieren.

Chronische Insomnie

  • Aus einer akuten Insomnie kann sich bei 21-47 % der Betroffenen eine chronische Insomnie entwickeln.
  • Eine chronische Insomnie wird diagnostiziert, wenn die Schlafstörungen mindestens drei Monate lang an drei oder mehr Nächten pro Woche auftreten.
  • Die Insomnie verläuft häufig chronisch; etwa 70 % der Patienten mit Insomnie erfüllen auch ein Jahr später noch die diagnostischen Kriterien.

Verlaufssymptome

  • Patienten leiden unter Ein- und Durchschlafstörungen, frühem Erwachen und nicht erholsamem Schlaf.
  • Tagsüber treten Symptome wie Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit und Leistungsabfall auf.
  • Insomnie kann zu einer Verringerung der Lebensqualität und zu emotionalem Stress führen.

Prognose

Allgemeine Prognose

  • Die Prognose von Insomnie hängt stark von der Ursache, der Dauer und der Behandlung ab.
  • Akute Insomnie hat in der Regel eine gute Prognose und kann durch Verhaltensänderungen und Stressbewältigung behandelt werden.
  • Chronische Insomnie erfordert oft eine umfassendere Behandlung, einschließlich kognitiver Verhaltenstherapie und medikamentöser Interventionen.

Langzeitfolgen

  • Unbehandelte chronische Insomnie ist mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und bipolaren Störungen verbunden.
  • Physische Gesundheitsrisiken umfassen ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Hypertonie (Bluthochdruck), Diabetes mellitus und Apoplexe (Schlaganfälle).
  • Insomnie kann auch das Immunsystem schwächen und die Anfälligkeit für Infektionen erhöhen.

Schlafdauer und Gesundheitsrisiken

  • Bei Kurzschläfern, die nur ein paar Stunden Ruhe in der Nacht benötigen und sich morgens ausgeschlafen fühlen, lässt sich kein erhöhtes Erkrankungsrisiko nachweisen. Im Gegenteil, bei Kurzschläfern ohne Insomnie ließen sich verminderte Raten von Herzerkrankungen und Hypercholesterinämie um ca. 40 Prozent, von Hypertonie um ca. 25 % nachweisen [2].
  • Dagegen starben Teilnehmer einer Studie mit neun bis zehn Stunden Schlaf zu 27 % häufiger und erlitten zu 10 % häufiger kardiovaskuläre Ereignisse als solche mit sechs bis acht Stunden Schlaf. Diese extremen Langschläfer litten vermehrt an Hypertonie (Bluthochdruck) und chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) [6].

Komorbiditäten

Eine chronische Insomnie ist unter anderem assoziiert mit psychiatrischen Erkrankungen. So ist das Risiko für Depressionen um das 2,6-fache erhöht. Ebenso ist das Risiko für einen Myokardinfarkt (Herzinfarkt) und einen Apoplex (Schlaganfall) um bis zu 70 % gesteigert. Des Weiteren sind affektive Erkrankungen/bipolare Störungen, Angststörungen, Panikstörung, Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), Alkoholabusus (Alkoholabhängigkeit), Borderlinestörungen, Demenzen, Essstörungen und Schizophrenie mit Schlafstörungen assoziiert (s. u.)

Beachte: 

  • Vor Behandlungsbeginn einer Insomnie müssen mögliche organische Schlafstörungen, insbesondere atmungs- oder bewegungsbezogener Schlafstörungen, ausgeschlossen werden.
  • Eine Insomnie kann Prädiktor für verschiedene psychiatrische Erkrankungen sein (s. u. Komorbiditäten). Persistierende Schlafstörungen gelten zudem als Risikofaktor für Rezidive psychiatrischer Erkrankungen (Cave: Gefahr der suizidalen Entwicklung).

Literatur

  1. Petit D et al.: Childhood Sleepwalking and Sleep Terrors. A Longitudinal Study of Prevalence and Familial Aggregation. JAMA Pediatr. 2015; online 4. Mai 2015; doi:10.1001/jamapediatrics.2015.127
  2. Ohayon MM: Epidemiology of sleep disorders and their effects on human health. Abstractband der Zeitschrift „Somnologie“ des Springer Medizin Verlages GmbH, 3.-5. Dezember, 2015
  3. American Academy of Sleep Medicine. International Classification of Sleep Disorders – Third Edition (ICSD-3). AASM Resource Library; 2014
  4. Mayer G, Rodenbeck A, Geisler P, Schulz H. Internationale Klassifikation der Schlafstörungen: Übersicht über die Änderungen in der ICSD-3. Somnologie. 2015;19:116-25
  5. Cao XL et al.: The prevalence of insomnia in the general population in China: A metaanalysis. PLoS One, 2017;12(2), e0170772.
  6. Wang C et al.: Association of estimated sleep duration and naps with mortality and cardiovascular events: a study of 116 632 people from 21 countries. European Heart Journal, ehy695, Published: 05 December 2018 https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehy695

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Narkolepsie. (AWMF-Registernummer: 030-056), September 2012 Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen Insomnie bei Erwachsenen. (AWMF-Registernummer: 063-003), Dezember 2017 Langfassung
  3. S1-Leitlinie: Nichtorganische Schlafstörungen (F51). (AWMF-Registernummer: 028 - 012), Juli 2018 Langfassung
  4. S2k-Leitlinie: Insomnie bei neurologischen Erkrankungen. (AWMF-Registernummer: 030-045), März 2020 Langfassung
  5. S3-Leitlinie: Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen Schlafbezogene Atmungsstörungen. (AWMF-Registernummer: 063-001), Juli 2020 Langfassung
  6. European Guidline: Management of Narcolepsy in Adults & Children. European journal of neurology. EAN April 2021.