Pulsmessung

Der Puls beschreibt die fühlbare Druckwelle im Blutkreislauf, die durch den Herzschlag bedingt ist.
Der Puls wird in der Regel an Arterien gemessen, jedoch gibt es auch an Venen einen schwachen Puls.

Methoden der Pulsmessung

  • Druckpulsmessung (Sphygmographie): Hierbei wird die Pulswelle mittels eines auf die Haut aufgelegten Sensors aufgezeichnet, der Druckschwankungen an der Arterie detektiert. Diese Methode erfasst, wie sich die Druckwelle, die durch die Herzschläge verursacht wird, entlang der Arterien ausbreitet.
  • Strömungspulsmessung: Die Technik verwendet Doppler-Ultraschalltechnologie, um die Blutflussgeschwindigkeit in den Arterien zu messen. Ein Ultraschallgerät sendet Schallwellen aus, die von den bewegten Blutpartikeln reflektiert werden, wodurch Änderungen in der Blutströmung detektiert und aufgezeichnet werden können.
  • Volumenpulsmessung: Bei dieser Methode wird die Änderung des Blutvolumens in einem bestimmten Körperteil gemessen, oft mittels plethysmographischer Methoden. Sensoren erfassen Volumenänderungen durch die pulsatile Blutfüllung der Gefäße, was aufzeigt, wie Blut durch die Arterien fließt und sich das Volumen mit jedem Herzschlag ändert.

Pulsationspunkte am Körper

  • Arteria carotis (Carotispuls): Tastbar bei gestrecktem Hals seitlich des Schildknorpels
  • Arteria axillaris: Tastbar unter der Achsel
  • Arteria radialis: Tastbar am daumenseitigen Handgelenk
  • Arteria femoralis: Tastbar in der Leiste
  • Arteria poplitea: Tastbar in der Kniekehle
  • Arteria tibialis posterior: Tastbar am Innenknöchel
  • Arteria dorsalis pedis: Tastbar auf dem Fußrücken

 Pulsmessung

Die Pulsmessung sollte in sitzender Position nach einer fünfminütigen Ruhephase zweimal für je 30 sec erfolgen. Anschließend rechnet man den Wert auf eine Minute hoch. Dabei geht man folgendermaßen vor:

  • Ruhephase: Lassen Sie den Patienten für mindestens fünf Minuten sitzen und ruhen, um eine natürliche Grundlinie der Herzfrequenz zu erreichen, die nicht durch körperliche Aktivität oder Stress beeinflusst ist.
  • Messung: Messen Sie den Puls entweder am Handgelenk oder am Hals, indem Sie mit den Fingerkuppen (nicht dem Daumen) den Puls fühlen. Zählen Sie die Anzahl der Herzschläge für 30 Sekunden.
  • Berechnung: Da Sie die Herzschläge für 30 Sekunden gezählt haben, multiplizieren Sie diesen Wert mit zwei, um die Herzschläge pro Minute zu erhalten. Zum Beispiel, wenn Sie 40 Schläge in 30 Sekunden zählen, ist der Herzschlag pro Minute 80.
  • Wiederholung: Wiederholen Sie die Messung ein zweites Mal, um die Konsistenz und Genauigkeit der Messung zu überprüfen. Wenn die Werte nahe beieinander liegen, können Sie sicher sein, dass die Messung genau ist.
  • Dokumentation: Dokumentieren Sie beide Werte und nutzen Sie den Durchschnitt als finalen Wert, wenn die Zahlen sehr nahe beieinander liegen. Unterscheiden sie sich jedoch deutlich, sollte eine dritte Messung durchgeführt werden.

Dieses Vorgehen hilft, die tatsächliche Ruhe-Herzfrequenz des Patienten genauer zu bestimmen und minimiert Fehler durch äußere Faktoren oder Messungenauigkeiten.

Man kann den Puls nach Frequenz, Rhythmus und Qualität untersuchen.

Mögliche Befunde

Pulsfrequenz/Ruheherzfrequenz (RHF; Ruhepuls) beim Erwachsenen

Der Ruhepuls ist der Puls, der unter Ruhebedingungen, d. h. in Abwesenheit von körperlichen und psychischen Belastungen, auftritt. Gemäß der gemessenen Pulsfrequenz/Herzfrequenz wie dieser in Bradykardie, Normokardie (Normalbefund) oder Tachykardie unterteilt:

  • Bradykardie: < 60 Schläge/min (beats per minute, bpm)
    • Herzerkrankungen, nicht näher bezeichnet
    • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
    • Sportler
    • Vagusreiz
  • Normokardie: 60-100 Schläge/min
  • Tachykardie: > 100 Schläge/min
    • Anämie (Blutarmut)
    • Fieber
    • Herzerkrankungen, nicht näher bezeichnet
    • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
    • Körperliche Anstrengung

Die durchschnittliche Ruheherzfrequenz (RHF; Ruhepuls) altersabhängig:

Altersgruppe Normalwerte (Schläge/min)
Fötus (Ungeborene) 150
Neugeborene (0-1 Jahr) 120
Vorschulkind (4-7 Jahre) 100
Kleinkind (8-13 Jahre) 90
Jugendliche 85
Erwachsene, Frau (18-64 Jahre) 75
Erwachsene, Mann (18-64) 70

Weitere Hinweise

  • In einer Metaanalyse wurde eine nichtlineare Beziehung zwischen der Ruheherzfrequenz und dem Risiko eines Typ-2-Diabetes nachgewiesen (1,83-fach; 1,2-fach für einen Anstieg von 10 Herzschlägen) [1].
  • Die Ruheherzfrequenz (RHF) und Einfluss auf das Langzeitrisiko für venöse Thromboembolien (VTE): Bei einer RHF ≥ 80/min ist das VTE-Risiko doppelt so hoch wie bei einer RHF < 60/min [5].
  • Die Ruheherzfrequenz (RHF) ist ein unabhängiger Prädiktor für Gesamtmortalität (Gesamtsterblichkeit) und Myokardinfarkte (Herzinfarkte) in der Allgemeinbevölkerung mittleren Alters: Personen ohne Herzfrequenz-senkende Medikation mit einer RHF über 70 Schläge/min wiesen eine um etwa 60 % erhöhte Gesamtmortalität (Gesamtsterblichkeit) und ein fast um 90 Prozent erhöhtes Risiko für einen Myokardinfarkt (Herzinfarkt) auf, verglichen mit dem Kollektiv mit einer RHF unter 70 Schläge/min [2].
  • Eine Erhöhung der Ruhefrequenz um 10 Schläge pro Minute führt zu einer Steigerung des Mortalitätsrisikos um 9 % [3].
  • Einfluss der Ruheherzfrequenz bei Männern im Alter von 50 Jahren: eine prospektive bevölkerungsgestützte Langzeitstudie zeigte, dass ein hoher Ruhepuls (> 75 Schläge/min.) im Alter von 50 Jahren als auch eine Frequenzzunahme im weiteren Verlauf im Vergleich zu stabilen Werten mit einem schlechteren kardiovaskulären Ergebnis assoziiert sind (Gesamtsterberisiko war ca. doppelt so hoch wie bei Männern mit einem Ruhepuls unter 55; das KHK-Risiko war 2,2-fach erhöht; jede Zunahme der Herzfrequenz um einen Herzschlag pro Minute war rechnerisch mit einem um 1 % höheren Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung und um 2 % höheren KHK-Risiko assoziiert) [4].
  • Möglicherweise zeigt ein erhöhter Ruhepuls eine Störung des sympathiko-vagalen Gleichgewichts an. Diese spielt bekanntermaßen eine zentrale Rolle in der Pathogenese (Krankheitsentstehung) von Störungen der linksventrikulären Funktion (Funktion der linken Herzkammer), myokardialen Ischämien (Minderdurchblutung des Herzmuskel), Arrhythmien und der Koronarsklerose (Herzkranzgefäßerkrankung).
  • Chronische Nierenerkrankung (CKD):
    • Risiko des Auftretens eines terminalen Nierenversagens (end stage renal diseaese, ESRD) korreliert mit der Ruheherzfrequenz (RHF): Risiko einer ESRD war bei einer RHF von 80-89/min statistisch signifikant um 24 % und bei einer RHF von ≥ 90/min um 64 % erhöht [6].
    • Selbst Werte im hochnormalen Bereich waren gemäß einer Studie mit mehr kardiovaskulären Ereignissen und einem höheren Sterberisiko assoziiert: Im Vergleich zur RHF unter 70/min stieg das Sterberisiko um 74 %, wenn die RHF zwischen 80 und 90 Schlägen pro Minute lag, und auf mehr als das Zweieinhalbfache bei einer RHF > 90/min [7].

Pulsrhythmus

  • Pulsus regularis: regelmäßiger Puls
  • Pulsus irregularis (Arrhythmie): unregelmäßiger Puls, kann unterteilt werden in:
    • Respiratorische Arrhythmie ‒ physiologische Frequenzsteigerung bei Inspiration (Einatmung), bei der Expiration (Ausatmung) nimmt sie wieder ab; Normalbefund, der vor allem bei Kindern und Jugendlichen am ausgeprägtesten ist.
    • Absolute Arrhythmie (Arrhythmia absoluta) ‒ Herzrhythmusstörung: Puls mit vollkommener Unregelmäßigkeit des Pulses ohne Abhängigkeit von der Atmung; tritt auf bei z. B. Vorhofflimmern (VHF): je nach Pulsfrequenz wird dieser unterteilt in:
      • Bradyarrhythmia absoluta (BAA; Puls unter 60 Schläge pro Minute)
      • normfrequente absolute Arrhythmie (Puls 60 bis 100 Schläge pro Minute)
      • Tachyarrhythmia absoluta (TAA; mit einem Puls über 100 Schläge pro Minute)
  • Extrasystolen: Extraschläge mit gleichmäßigem Grundrhythmus
    • Bei nicht näher bezeichneten Herzerkrankungen oder Digitalisintoxikation (Vergiftung mit einem Medikament, welches bei Herzinsuffizienz (Herzschwäche) eingesetzt wird)

Pulsqualitäten

Pulsspannung

  • Pulsus durus: harter Puls ("Wasserhammerpuls")
  • Pulsus mollis: weicher Puls

Pulshöhe/Pulsgröße

  • Pulsus altus: hochamplitudiger Puls durch großes Auswurfvolumen (große Blutdruckampitude); evtl. bei Aortenklappeninsuffizienz; Thyreotoxikose
  • Pulsus parvus: niedrigamplitudiger Puls; bei Aortenklappen-/Mitralklappenstenose (Verengung der Aortenklappe/Mitralklappe)
  • Pulsus parvus et tardus: niedrigamplitudiger Puls mit niedriger Anstiegssteilheit; bei Aortenstenose, Herzinsuffizienz, Kreislaufkollaps

Pulsform

  • Pulsus celerPuls mit hoher Anstiegssteilheit; bei Aortenklappeninsuffizienz, AV-Block
  • Pulsus tardusPuls mit niedriger Anstiegssteilheit; bei Aortenklappenstenose, Mitralklappeninsuffizienz, Perikarditis (Herzbeutelentzündung)

Pulsqualität

  • Pulsus alterans: jeder zweite Schlag mit geringerer Pulshöhe; bei Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
  • Pulsus differens: Seitendifferenz des Pulses; bei Aortenaneurysma. Aorteninsuffizienz, einseitiger Radialisverschluss
  • Pulsus intermittensAussetzen einzelner Schläge, wobei dem Herzschlag kein fühlbarer Puls an z. B. der A. radialis entspricht; vgl. Pulsdifferenz
  • Pulsus paradoxus (paradoxer Puls)Abfall des systolischen Blutdruckes > 10 mmHg während der Inspiration (Einatmung), mit der Folge, dass der Puls während der Inspiration deutlich abgeschwächt ist; bei perikonstriktiver Perikarditis (Herzbeutelentzündung) oder Herzbeuteltamponade (wg. Einengung des Herzbeutels) und bei Spannungspneumothorax oder schwerem Asthmaanfall (wg. Kompression des Herzens)

Pulsdifferenz

  • Differenz zwischen der Herzfrequenz (per Auskultation oder EKG gemessen) und der peripher messbaren Pulsfrequenz; Ursachen:
    • frustrane Herzmuskelkontraktionen: z. B. Extrasystolen (zusätzliche Herzschläge), Hypotonie (niedriger Blutdruck), Vorhofflimmern (VHF)
    • periphere Störung: arterielle Embolie (Gefäßverschluss), periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)

Literatur

  1. Aune D: Resting heart rate and the risk of type 2 diabetes: a systematic review and dose-response meta-analysis of cohort studies. doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.numecd.2015.02.008
  2. Custodis F et al.: Die Herzfrequenz ist ein unabhängiger Prädiktor für Gesamtmortalität und Myokardinfarkte in der Allgemeinbevölkerung mittleren Alters: DGK 2015, Abstract V 122
  3. Zhang D et al.: Resting heart rate and all-cause and cardiovascular mortality in the general population: a meta-analysis. CMAJ 2015, online 23. November. doi: 10.1503 / cmaj.150535
  4. Chen X et al.: Impact of changes in heart rate with age on all-cause death and cardiovascular events in 50-year-old men from the general population. Open Heart 2019;6:e000856. doi: https://dx.doi.org/10.1136/openhrt-2018-000856
  5. Awotoye J et al.: Resting heart rate and incident venous thromboembolism: the Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis. Open Heart 2020;7:e001080. https://doi.org/10.1136/openhrt-2019-001080
  6. Tsai MK et al.: Resting Heart Rate Independent of Cardiovascular Disease Risk Factors Is Associated With End-Stage Renal Disease: A Cohort Study Based on 476 347. J Am Heart Assoc 2023;12:e030559. https://doi.org/10.1161/JAHA.123.030559
  7. Saito H et al.: Elevated resting heart rate is associated with mortality in patients with chronic kidney disease. Sci Rep 2024;14:17372; https://doi.org/10.1038/s41598-024-67970-2