Lungenödem – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Ein Lungenödem beschreibt die Ansammlung von Flüssigkeit in der Lunge, die entweder im Interstitium (Zellzwischenraum) oder in den Alveolen (Lungenbläschen) auftreten kann. Diese Flüssigkeitsansammlung beeinträchtigt den Gasaustausch und kann zu Atemnot führen. Die Ursachen für ein Lungenödem lassen sich grundsätzlich in kardiale (herzbedingte) und nichtkardiale (nicht herzbedingte) Ursachen unterteilen.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

Kardiales Lungenödem

Das kardiale Lungenödem entsteht durch eine Erhöhung des Lungenkapillardrucks infolge einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche). Wenn das linke Herz nicht mehr in der Lage ist, das Blut ausreichend in den Körperkreislauf zu pumpen, staut sich das Blut in den Lungengefäßen. Dies führt zu einem Anstieg des Drucks in den Lungenkapillaren, wodurch Flüssigkeit aus den Gefäßen in das Lungengewebe austritt.

  • Erhöhter Lungenkapillardruck: Durch den Rückstau des Blutes in die Lunge wird der Druck in den Kapillaren so stark erhöht, dass Flüssigkeit in das umgebende Gewebe (Interstitium) und in die Alveolen übertritt.
  • Intraalveoläres Lungenödem: Wenn die Flüssigkeit in die Alveolen gelangt, wird der Gasaustausch gestört, da die Luftbläschen mit Flüssigkeit gefüllt sind, anstatt mit Luft. Dies führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Sauerstoffaufnahme.

Nichtkardiales Lungenödem

Ein nichtkardiales Lungenödem entsteht durch eine erhöhte Permeabilität (Durchlässigkeit) der Lungenkapillaren oder durch eine Verminderung des kolloidosmotischen Drucks (onkotischer Druck), der normalerweise den Flüssigkeitseinstrom ins Gewebe verhindert.

  • Erhöhte Kapillarpermeabilität: Bei entzündlichen oder toxischen Schädigungen (z. B. durch Infektionen, Inhalation von Reizgasen oder bei einer Sepsis) wird die Kapillarwand durchlässiger, sodass Flüssigkeit leichter in das Interstitium und die Alveolen übertreten kann. Dies führt zum sogenannten permeabilitätsbedingten Lungenödem.
  • Erniedrigter kolloidosmotischer Druck (KOD): Der kolloidosmotische Druck wird durch Proteine im Blut, insbesondere durch Albumin, aufrechterhalten. Wenn dieser Druck durch einen Mangel an Proteinen (z. B. bei Lebererkrankungen oder einem nephrotischen Syndrom) sinkt, kann die Flüssigkeit nicht mehr in den Kapillaren zurückgehalten werden und tritt in das Lungengewebe über.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

Flüssigkeitsaustritt in das Interstitium und den Alveolarraum

Beim Lungenödem tritt Flüssigkeit zunächst in das Interstitium über, was als interstitielles Lungenödem bezeichnet wird. Dies kann bereits zu einer eingeschränkten Lungenfunktion führen, da die Flüssigkeit den Gasaustausch behindert.

  • Interstitielles Lungenödem: In dieser Phase ist die Flüssigkeit noch nicht in den Alveolen, aber die Schwellung des Gewebes führt zu einer Einschränkung des Sauerstofftransports in die Alveolen.
  • Intraalveoläres Lungenödem: Wenn die Flüssigkeit in die Alveolen übertritt, wird der Gasaustausch stark gestört, da die Alveolen nicht mehr mit Luft, sondern mit Flüssigkeit gefüllt sind. Dies kann zu einer schweren Hypoxie (Sauerstoffmangel) führen.

Hypoxie und Hyperkapnie

Durch den Flüssigkeitseintritt in die Alveolen kommt es zu einer Behinderung des Gasaustauschs, was zu einer verminderten Sauerstoffaufnahme (Hypoxie) und in schweren Fällen auch zu einer Anhäufung von Kohlendioxid (Hyperkapnie) führt. Diese Veränderungen verursachen die typischen Symptome wie Atemnot und Zyanose (Blaufärbung der Haut).

Klinische Manifestation

Leitsymptome

  • Dyspnoe (Atemnot): Die Flüssigkeitsansammlung in den Lungenbläschen erschwert die Atmung erheblich und führt zu einer zunehmenden Atemnot, insbesondere im Liegen (Orthopnoe).
  • Husten: Häufig tritt ein feuchter Husten auf, bei dem schaumiger oder blutiger Auswurf vorhanden sein kann.
  • Rasselgeräusche: Beim Abhören der Lunge sind oft feuchte Rasselgeräusche zu hören, die durch die Flüssigkeit in den Atemwegen verursacht werden.

Fortgeschrittene Symptome

  • Zyanose: Bei schwerer Hypoxie kann es zu einer Blaufärbung der Lippen und Nägel kommen.
  • Orthopnoe: Verstärkte Atemnot in liegender Position, was zu einem Schlafen im Sitzen oder auf mehreren Kissen führen kann. 
    Beachte: Diese Kurzatmigkeit verbessert sich beim Aufsetzen.

Progression und Organbeteiligung

Rechtsherzbelastung (Cor pulmonale)

In fortgeschrittenen Fällen, insbesondere beim kardialen Lungenödem, kann es durch die Erhöhung des Drucks im Lungenkreislauf zu einer Belastung des rechten Herzens kommen. Dies führt langfristig zu einer Rechtsherzinsuffizienz (Cor pulmonale).

Systemische Auswirkungen

Durch die anhaltende Hypoxie kann es zu einer Beeinträchtigung weiterer Organe kommen, insbesondere des Herzens und der Nieren, da diese auf eine ausreichende Sauerstoffversorgung angewiesen sind.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

  • Beeinträchtigter Gasaustausch: Durch die Flüssigkeitsansammlung in den Alveolen wird der Sauerstoffaustausch stark behindert, was zu einer Hypoxie führt.
  • Lungenüberblähung: Bei schwerem Lungenödem kann es durch die Ansammlung von Flüssigkeit in der Lunge zu einer eingeschränkten Dehnbarkeit der Lunge und einer Überblähung kommen.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

Lungenödemrückbildung

Je nach Ursache kann sich das Lungenödem nach erfolgreicher Behandlung zurückbilden. Beim kardialen Lungenödem kann eine Herz-unterstützende Therapie (z. B. Diuretika/Entwässerungsmittel) die Flüssigkeitsansammlung verringern. Bei einem nichtkardialen Lungenödem wird die Ursache, wie z. B. eine Entzündung oder ein toxischer Schaden, behandelt, um die Lungenfunktion zu verbessern.

Kompensatorische Anpassungsmechanismen

  • Erhöhte Atemarbeit: Der Körper versucht, den Sauerstoffmangel durch eine erhöhte Atemfrequenz zu kompensieren.
  • Erhöhte Herzfrequenz: Das Herz schlägt schneller, um die Sauerstoffversorgung der Gewebe zu gewährleisten.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Das Lungenödem ist eine schwerwiegende Erkrankung, die durch die Ansammlung von Flüssigkeit in der Lunge entsteht und den Gasaustausch behindert. Je nach Ursache kann ein Lungenödem kardial (z. B. bei Herzinsuffizienz/Herzschwäche) oder nichtkardial (z. B. durch erhöhte Kapillarpermeabilität oder verminderten kolloidosmotischen Druck) bedingt sein. Die Ansammlung von Flüssigkeit in den Alveolen führt zu einer Atemnot, Hypoxie (Sauerstoffmangel) und möglicherweise zu systemischen Komplikationen. Eine rasche Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um irreversible Schäden zu vermeiden.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Drogenkonsum
    • Heroin (intravenös, d. h. durch die Vene)

Krankheitsbedingte Ursachen

Atmungssystem (J00-J99)

  • ARDS (adult respiratory distress syndrome) ‒ lebensgefährliche akute Schädigung der Lunge; häufig mit einem Multiorganversagen (MOV) im Rahmen eines SIRS (Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom; Krankheitsbild, das einer Sepsis ähnelt)
  • Pneumonie (Lungenentzündung)
  • Silikose ‒ zu den Pneumokoniosen zählende Lungenerkrankung, die durch das Einatmen von Quarzstaub bedingt ist
  • Sipe-Syndrom (engl. Swimming induced pulmonary edema; Schwimmen-induziertes Lungenödem): nicht kardial-bedingtes Lungenödem; Symptomatik: akutes Auftreten von akuter Dyspnoe, produktiven Husten (Husten, bei dem Schleim aus den Bronchien oder dem Rachenraum in den Mundraum hochgebracht wird) und/oder Hämoptysen (Bluthusten) während oder nach dem Schwimmen, wobei eine Wasseraspiration ausgeschlossen sein muss; Auftreten vor allem bei Schwimmern und Tauchern; im Regelfall innerhalb von 24 Stunden vorbei
    Das Krankheitsbild ist assoziiert mit weiblichem Geschlecht, Ausdauerdistanzen, Hypertonie (Bluthochdruck) sowie kleinerer Lungenkapazität und geringerem Atemfluss.
  • Strahlenpneumonitis (Synonym: Bestrahlungspneumonie) − Lungenentzündung als Folge einer Radiatio (Strahlentherapie); interstitielle Lungenerkrankung

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) ‒ erworbene Blutgerinnungsstörung durch übermäßigen Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten (Blutplättchen)

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
  • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Aortendissektion (Synonym: Aneurysma dissecans aortae) – akute Aufspaltung (Dissektion) der Wandschichten der Aorta (Hauptschlagader), mit einem Einriss der inneren Schicht der Gefäßwand (Intima) und einer Einblutung zwischen der Intima und der Muskelschicht der Gefäßwand (äußere Media), im Sinne eines Aneurysma dissecans (krankhafte Ausweitung der Schlagader)
  • Endokarditis (Herzinnenhautentzündung)
  • Herzinsuffizienz (Herzschwäche), dekompensierte [häufigste Ursache]
  • Herzrhythmusstörungen, nicht näher bezeichnet
  • Hypertonus (Bluthochdruck)
  • Kardiomyopathie ‒ Herzmuskelerkrankung, die zu einer eingeschränkten Herzfunktion führt; insb. diabetische Kardiomyopathie
  • Klappenvitien (Herzklappenfehler), nicht näher bezeichnet
  • Koronare Herzkrankheit (KHK)
  • Lungenembolie ‒ Verschluss eines oder mehrerer Lungengefäße durch einen Embolus (Blutpfropf), meist auf Grundlage einer tiefen Beinvenenthrombose (TVT)
  • Myokardinfarkt (Herzinfarkt)
  • Myokarditis (Herzmuskelentzündung)

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Infektionserkrankungen wie virale Infektionen, Mykoplasmen
  • Sepsis (Blutvergiftung)

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Lymphangiosis carcinomatosa ‒ Ausbreitung einer bösartigen Neubildung in den Lymphgefäßen

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Neurogenes Lungenödem ‒ z. B. nach einem Schädel-Hirn-Trauma (SHT), intrakranielle Blutung (Blutung innerhalb des Schädels; parenchymatöse, subarachnoidale, sub- und epidurale sowie supra- und infratentorielle Blutungen)/intrazerebrale Blutung (ICB; Hirnblutung) oder einem Status epilepticus

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O00-O99)

  • Eklampsie (Schwangerschaftsvergiftung)

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Niereninsuffizienz (Nierenschwäche)

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Anaphylaktischer Schock (allergischer Schock)
  • Aspiration (Verschlucken) von Magensaft, Süß-, Salzwasser)
  • Lungenkontusion (Lungenprellung)
  • Postobstruktionslungenödem (engl. negative pressure pulmonary edema, NPPE) –  durch Unterdruck hervorgerufenes Lungenödem; nach dem auslösenden Ereignis können Stunden vergehen, bis sich das Lungenödem manifestiert
  • Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
  • Thoraxtrauma ‒ Verletzung des Brustkorbs und der inneren Organe
  • Traumata (Verletzungen), nicht näher bezeichnet
  • Verbrennungen

Weitere Ursachen

  • Höhenlungenödem (HAPE ‒ high altitude pulmonary edema)Flüssigkeitsansammlung (Ödem) in der Lunge, die beim Bergsteigen in großen Höhen auftreten kann; bei Höhen von > 2.000 m, Auftreten typischerweise bei Aufstieg von einer niedrigeren bis zu einer höheren Höhewird durch eine hypoxische Lungenvasokonstriktion (Zusammenziehen der Lungengefäße aufgrund von Sauerstoffmangel) verursacht; gute Prognose bei schneller Behandlung
  • Kardiopulmonaler Bypass bei Operationen (Herzlungenmaschine)
  • Massentransfusion von Blutprodukten
  • Postexpansionsödem ‒ Ödem durch zu schnelle Entlastung eines Pleuraergusses (> 1,5 l/Tag)
  • Reperfusionslungenödem ‒ Lungenödem, welches nach einer Wiedereröffnung von verschlossenen Blutgefäßen auftreten kann
  • Unterdruck-Lungenödem ‒ tritt selten nach einer Vollnarkose auf
  • Zustand nach Kardioversion ‒ therapeutisches Verfahren in der Kardiologie zur Wiederherstellung eines regelmäßigen Herzrhythmus (Sinusrhythmus) bei Herzrhythmusstörungen
  • Zustand nach Lungentransplantation (LUTX)
  • Zustand nach Pneumektomie (Entfernung eines Lungenflügels)

Medikamente

  • Anthracycline ‒ Gruppe von Wirkstoffen, die gegen bakterielle Infektionen wirken
  • Azathioprin (Immunsuppressivum)
  • Betamimetika (Synonyme: β2-Sympathomimetika, auch β2-Adrenozeptor-Agonisten) – Fenoterol, Formoterol, Hexoprenalin, Ritodrin, Salbutamol, Salmeterol, Terbutalin [besonders in Kombination mit Glucocorticoide]
  • Bleomycin (Zytostatikum)
  • Heroin
  • Methadon
  • Naloxon ‒ Gegenspieler von Opioiden
  • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) → nichtkardiales Lungenödem [1]
  • Salicylate
  • Venlafaxin (Antidepressivum)

Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Intoxikationen mit Rauchgas, Chlor, Phosgen, Ozon, Nitrose Gase (Stickstoffoxide) etc.

Literatur

  1. Camus P. The Drug-Induced Respiratory Disease Website. www.​pneumotox.​com.(zugegriffen: 6. 11. 2018)